Führt eine höhere Trainingsfrequenz
zu mehr Muskelaufbau?

Wer sich regelmäßig mit Trainingswissenschaften beschäftigt oder diversen science-based Fitnessinfluencern folgt, der wird in letzter Zeit sicherlich von dem Preprint der neuesten Metastudie zum Thema Trainingsfrequenz gehört haben (1). Besonders, da besagte Influencer in dieser den endgültigen Beweis dafür sehen, dass höhere Frequenzen bzw. niedrige Trainingssplits zu besseren Ergebnissen in Sachen Muskelaufbau führen, wie sie es ihren Followern bereits seit Jahren predigen. Aber stimmt das überhaupt?

 

Erst einmal vorab: Tatsächlich ist das nicht das erste Mal, dass wir uns in einem Artikel der Frage widmen, ob und inwiefern eine hohe Trainingsfrequenz einer niedrigen überlegen ist. Es handelt sich hier also streng genommen um ein Update zu unserem Artikel “Welcher Split ist der Beste?”. Und da viele der damals vorgebrachten Punkte sich hier wiederholen, gehe ich hier nicht mehr detailliert auf diese ein und verweise stattdessen auf unseren alten Artikel. Die Frage ist also, ob sich seit damals etwas gravierend geändert hat und ob es neue Erkenntnisse zu dieser Thematik gibt.

 

 

Der Stand der Wissenschaft zum Thema Frequenz

Das neue Pelland-Paper ist nicht die erste Metaanalyse, die sich mit dieser Fragestellung beschäftigt, sondern bereits die dritte. Kurz zur Erläuterung: Eine Metastudie ist kein klassischer Versuchsaufbau, sondern fasst die bisherigen Studien zu einem Thema zusammen, nachdem sie einer Prüfung auf gewisse Qualitätskriterien unterzogen wurden, analysiert diese und zieht dann eine Schlussfolgerung aus den vorliegenden Daten. Metastudien gelten deshalb als die relevanteste Form von Studien, weil durch die Einbeziehung einer Vielzahl von Einzelstudien die Schwächen einzelner Arbeiten weniger ins Gewicht fallen.

 

Auswirkungen der Trainingsfrequenz auf den Kraftzuwachs

Neu ist, dass die Pelland-Studie erstmals auch das Thema Kraft im Rahmen einer Metaanalyse betrachtet. Hier zeigt sich ganz klar ein positiver Zusammenhang zwischen Trainingsfrequenz und Kraft. Nur… wirklich überraschend ist das nicht.

 

Auch bei jeder Einzelstudie zu diesem Thema war diese Korrelation mehr als deutlich und im Prinzip hätte es für diese Erkenntnis auch überhaupt keine Studie benötigt. Stattdessen hätte es gereicht, sich einfach anzuschauen, wie in kraftfokussierten Sportarten wie Kraftdreikampf oder Gewichtheben bereits seit vielen Jahrzehnten trainiert wird, und zwar hochfrequent. Dass man, um in einer bestimmten Übung besser zu werden, diese so oft wie möglich trainieren sollte, ist jedenfalls nichts Neues und dürfte bei den meisten Betroffenen eher zu einem müden Schulterzucken als zu Begeisterungsstürmen führen. Aber was ist mit Muskelaufbau?

 

Einfluss der Trainingsfrequenz auf die Kraftentwicklung in einer Grafik.
Zusammenhang zwischen Kraftentwicklung und Trainingsfrequenz aus dem Pelland-Paper.

 

Trainingsfrequenz und Muskelaufbau

Die beiden bisherigen Metastudien zum Einfluss von Frequenz auf Hypertrophie stammen beide von Brad Schoenfeld. In der ersten von 2016 (2) kam Schoenfeld noch zu dem Schluss, dass eine höhere Frequenz, bzw. einen Muskel zwei- statt nur einmal die Woche zu trainieren, tatsächlich zu besseren Resultaten in Sachen Muskelaufbau führen würde. Allerdings hatten die in dieser Metaanalyse verwendeten Studien so ihre Schwächen oder Schoenfeld war zu lax, was die Qualitätskriterien anging.

 

Jedenfalls veröffentlichte er 2019 schließlich eine weitere Metastudie (3). Auf diese stützten wir uns auch hauptsächlich bei unserem alten Artikel. In der überarbeiteten Studie kam Schoenfeld zu dem Schluss, dass eine höhere Trainingsfrequenz nicht zu (signifikant) mehr Hypertrophie führen würde, sofern das Gesamtvolumen identisch ist. Aufgrund dessen kamen wir auch in unserem Artikel zu dem Ergebnis, dass der Stand der Wissenschaft lautet, dass es eigentlich relativ egal ist, welchen Split man wählt, sofern alle anderen Faktoren gleich sind.

 

Screenshot einer Schlussfolgerung aus der Schoenfeld-Metaanalyse zur Frequenz im Hinblick auf Hypertrophie.
Die Schlussfolgerung von Schoenfeld aus seiner Metaanalyse von 2019.

 

Und jetzt?

 

Kommen wir also zur alles entscheidenden Frage: Hat sich durch die neue Studie etwas an dieser Einschätzung geändert? Und die Antwort lautet: “Nein, nicht wirklich.” Zwar wurde durchaus ein minimal positiver Zusammenhang zwischen einer höheren Frequenz und Muskelaufbau festgestellt, dieser ist aber nicht signifikant, liegt im Rahmen einer üblichen Fehlertoleranz und es gibt diverse Abweichungen unter den Studien. Und selbst dieser marginale Effekt bezieht sich nur auf den Unterschied zwischen ein- und zweimaligem Training je Woche. Vergleicht man zusätzlich noch die Abweichung zwischen 2 Einheiten und einer noch höheren Trainingsfrequenz, dann ist ein Mehrwert praktisch überhaupt nicht mehr festzustellen.

 

Eine Grafik zeigt den eher gering ausfallenden Effekt einer Steigerung der Trainingsfrequenz im Hinblick auf Muskelaufbau.
Der Effekt einer Frequenzerhöhung auf Hypertrophie ist gering und nimmt auch nicht zu, wenn die Frequenz noch weiter erhöht wird.

 

Damit etwas aus wissenschaftlicher Sicht als erwiesen oder auch nur als wahrscheinlich gilt, müssen die Resultate klarer und tendenziell einheitlicher sein. Seriöse Wissenschaftler versteigen sich jedenfalls nicht zu einer abschließenden Bewertung, wenn die messbaren Unterschiede derart gering sind und es zudem so viele Abweichungen innerhalb der untersuchten Studien gibt. Anmerken muss man dazu auch, dass sich auch in der Schoenfeld-Studie von 2019 bereits eine leichte Tendenz zum positiven Effekt einer höheren Frequenz auf Muskelaufbau zeigte. Aber in beiden Fällen war das Resultat zu unklar, um eine konkrete Aussage zu treffen. Deshalb klingen die Schlussfolgerungen der beiden Wissenschaftler letztlich auch recht ähnlich. In beiden werden mögliche Vorteile nur im Konjunktiv erwähnt und es fallen typische Weichmacher-Begriffe wie “nicht signifikant” oder “potenziell“.

 

Screenshot einer Schlussfolgerung aus der Pelland-Metaanalyse zur Trainingsfrequenz.
Die Schlussfolgerung der Autoren aus der Pelland-Metaanalyse.

 

Lange Rede, kurzer Sinn: Nein, die neue Pelland-Studie ist nicht der Beweis dafür, dass eine höhere Trainingsfrequenz besser wäre für den Muskelaufbau, auch wenn Influencer das gerne behaupten. Und tatsächlich hat sich seit der letzten Metastudie auch nichts am Stand der Wissenschaft geändert. Dieser lautet nach wie vor, dass Frequenz keinen signifikanten Einfluss auf Hypertrophie hat.

 

Heißt das nun, dass eine höhere Frequenz NICHT besser ist?

Nein, das heißt es nicht, zumindest nicht zwangsläufig. Wie gesagt sind Wissenschaftler immer recht vorsichtig in ihrer Beurteilung und deshalb muss sich deren Einschätzung nicht zwingend mit der Praxis decken. Und wie gesagt waren durchaus in beiden Metaanalysen, und folglich auch in einer Mehrheit der verwendeten Studien, positive Effekte einer höheren Frequenz zu erkennen, auch wenn diese gering waren. Bei Pelland heißt es dazu, in bestem Science-Slang, dass eine Wahrscheinlichkeit von 91,3 % besteht, dass diese Effekte größer als 0 sind. “Nicht signifikant” bedeutet eben nicht das Gleiche wie “nicht existent”.

 

Zudem hatten wir bereits in unserem alten Artikel darauf hingewiesen, dass in vielen der einbezogenen Studien mit sehr kurzen Pausenzeiten gearbeitet wurde. Und wie wir inzwischen wissen, führen kurze Pausenzeiten dazu, dass die Effektivität eines Folgesatzes abnimmt (siehe hier). Ebenso wissen wir, dass es eine Obergrenze für verwertbares Volumen je Einheit gibt. Berücksichtigt man alle diese Faktoren, ist es sehr wahrscheinlich, dass die kurzen Pausenzeiten dazu führen, dass diese Volumengrenze in diesen Studien nur durch diese nicht erreicht wurde und deshalb das effektive Volumen bei den Vergleichen zwischen hoher und niedriger Trainingsfrequenz am Ende gleich war. Oder anders ausgedrückt: Hätte man mit längeren Pausenzeiten und gleichzeitig hohem Volumen gearbeitet, wären die Unterschiede vermutlich deutlich stärker ausgefallen.

 

Überhaupt ist Volumen ein wichtiger Faktor in dieser Gleichung. Man darf nicht vergessen, dass bei all diesen Vergleichen immer nur dann ähnliche Resultate herauskommen, solange das Gesamtvolumen identisch ist. Allerdings ist Volumen zwar bei Weitem nicht der Haupttreiber für Hypertrophie aber eben trotzdem eine wichtige Größe und die meisten Studien stellen eine klare Korrelation zwischen höherem Volumen und mehr Muskelaufbau fest. Auch in der Pelland-Studie wird das noch einmal klar herausgestellt.

 

Die Grafik zeigt den Einfluss des wöchentlichen Trainingsvolumens auf den Muskelaufbau.
In dieser Darstellung sieht man deutlich den Einfluss von Volumen auf den Muskelaufbau.

 

Und Frequenz ist nun mal ein hervorragendes Tool, um das Gesamtvolumen zu erhöhen. Hinzu kommt, dass, wie wir auch in unserem Artikel zum ZNS festgestellt haben, auch die Ermüdung des zentralen Nervensystems dazu führt, dass der erste Satz einer Übung der effektivste ist und der Nutzen mit jedem weiteren Satz abnimmt.

 

Zusammengefasst ergibt sich daraus jedenfalls folgendes Bild: Mehr wöchentliches Volumen führt zu mehr Muskelaufbau. In einer einzelnen Einheit ein sehr hohes Volumen zu absolvieren, ist aber nicht zielführend, weil schon das ZNS dafür sorgt, dass ab einem gewissen Punkt die Effektivität soweit abgenommen hat, dass jeder zusätzliche Satz nur reines Junk-Volumen ist, das keinen Mehrwert bietet und nur die Regeneration verlängert. Demnach scheint es nur logisch, dass es besser wäre, das Gesamtvolumen auf mehrere Einheiten zu verteilen, um mehr aus jedem einzelnen Satz herauszuholen.

 

Für Anfänger ist eine hohe Trainingsfrequenz in jedem Fall besser. Erstens, weil sie dadurch schneller die motorischen und technischen Fähigkeiten erlernen, um komplexe Übungen sicher und effektiv auszuführen. Und zweitens, weil Anfänger nur einen sehr geringen Reiz bzw. ein sehr geringes Volumen benötigen, um einen Wachstumsreiz auszulösen. Und mit einer hohen Frequenz können sie diesen Reiz eben viel öfter setzen und somit schneller wachsen, als wenn sie einen Muskel nur einmal wöchentlich trainieren würden.

 

Aber wie immer spielen natürlich auch individuelle Faktoren eine Rolle. Letzten Endes kann es ohnehin nie den einen Königsweg in Sachen Training geben, weil jeder anders auf bestimmte Einflüsse reagiert, egal ob es sich um Volumen, Frequenz, Nährstoffe oder Intensität handelt. Nur weil etwas für die allermeisten gut funktioniert, heißt das eben noch lange nicht, dass das auch speziell für dich der Fall sein wird. Auch das sieht man immer wieder, wenn man sich diverse Studien genauer anschaut. In nahezu jeder von diesen gibt es auch Ausreißer, bei denen ein ganz anderes Ergebnis herauskommt als beim Großteil der anderen Probanden.

 

Und natürlich ist auch schlicht Spaß immer ein wichtiges Element. Selbst wenn die Ergebnisse sich klar für eine höhere Trainingsfrequenz aussprechen würden und die Unterschiede tatsächlich gravierend ausfallen würden: Wenn du bei einem GK oder 2er-Split jede Freude am Training verlieren würdest und dich zu jeder Einheit förmlich zwingen müsstest, würdest du auf lange Sicht mit einem Bro-Split trotzdem besser fahren.

 

Fazit zum Thema Trainingsfrequenz

Am Ende bleibt jedenfalls festzuhalten, dass auch diese neue Metastudie nicht der Beweis für die Überlegenheit einer hohen Trainingsfrequenz ist, auch wenn gerne etwas anderes behauptet wird. Zwar wurde nun in einer Metaanalyse ein klarer Vorteil in Bezug auf Kraftaufbau festgestellt, das war aber im Prinzip ohnehin schon bekannt. Im Kontext von Hypertrophie ändert sich am Standpunkt der Wissenschaft im Vergleich zur letzten Metastudie zu diesem Thema aber grundsätzlich nichts.

 

Zwar gibt es zahlreiche Indizien dafür, dass es in Sachen Muskelaufbau wirklich besser wäre, einen Muskel mehr als einmal die Woche zu trainieren, aber selbst wenn man alle Schwächen der Studien einbezieht, wird der Unterschied niemals wirklich groß sein, von Anfängern vielleicht mal abgesehen.

 

In der Fitnessszene ist es nun mal so, dass neue Studienergebnisse gerne ein wenig aufgebauscht werden, um eine größere Reichweite zu generieren, oder diese nicht wirklich unvoreingenommen interpretiert werden. Ich sehe jedenfalls keinen Anlass, Änderungen an unserem alten Artikel vorzunehmen und kann diesen nach wie vor guten Herzens jedem empfehlen, der noch ein wenig mehr zu dieser Thematik erfahren möchte.

 

Ich hoffe, du konntest aus diesem Artikel etwas mitnehmen. Und wenn du diesen diskutieren willst, kannst du das gerne hier tun! Und wenn du dir selbst ein Bild des Preprints von Pelland und Kollegen machen willst, findest du die Vollversion davon in den Quellen, siehe unten.

 

Quellen:

  1. Pelland et al. (2024): The Resistance Training Dose-Response: Meta-Regressions Exploring the Effects of Weekly Volume and Frequency on Muscle Hypertrophy and Strength Gain
  2. Schoenfeld et al. (2016): Effects of Resistance Training Frequency on Measures of Muscle Hypertrophy: A Systematic Review and Meta-Analysis
  3. Schoenfeld et al. (2019): How many times per week should a muscle be trained to maximize muscle hypertrophy? A systematic review and meta-analysis of studies examining the effects of resistance training frequency
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