Wie man Fitness-Influencer wird

Wie man Fitness- Influencer wird

 

 

Die (Grund-) Schulzeit neigt sich langsam dem Ende zu und damit ist es nun an der Zeit, sich dem Ernst des Lebens zu stellen und sich Gedanken über die Berufswahl zu machen. Nur ist Arbeiten, wenn man mal ehrlich ist, eine ziemlich nervtötende und unbefriedigende Angelegenheit. Man muss früh aufstehen, irgendjemand kommandiert einen ständig rum, die Bezahlung reicht nicht um sich einen Lambo zu leasen und um diese Misere zumindest halbwegs erträglich zu machen muss man tatsächlich irgendwas können, wissen oder tun. Aber Moment, es geht auch anders! Statt sich mit einer Lehre oder Studium abzuplagen um sich am Ende doch nur mit einem Hungerlohn im Hamsterrad abzustrampeln, könntest du auch einfach eine Karriere als Influencer starten.

Influencer sind sowas wie die Rockstars unserer Zeit. Männer wollen sein wie Sie, Frauen liegen Ihnen zu Füssen (und vice versa, je nach Geschlecht bzw. Identifikation) und das Geld fliegt ihnen nur so zu. Und das Beste daran: man muss sich dafür nicht mal besonders anstrengen oder etwas können. Nun bist du leider in etwa so interessant wie eine Rolle Raufasertapete, was dir den Einstieg in deine Influencer-Karriere etwas erschwert. Deshalb macht es Sinn, einfach auf einen Trend aufzuspringen, der, trotz zahlreicher und langjähriger Versuche deiner zukünftigen Kollegen, einfach nicht totzukriegen ist und stattdessen sogar immer weiter an Popularität gewinnt. Du wirst also nicht irgendein Wald- und Wiesen Influencer, nein, du wirst Fitness-Influencer!

 

 

  1. Die Voraussetzungen

 

 

Ich weiß was ihr denkt: „Aber Ebi, muss man als Fitnessinfluencer nicht einen krassen Body haben, jahrelang trainieren und sich mit der Materie auskennen?“ Das ist zwar putzig, zeigt aber dass ihr das Game nicht verstanden habt. Ja, in der dunklen Vergangenheit vor ca. 5 Jahren war das vielleicht mal so aber zum Glück ändern sich die Zeiten. Nicht nach Training auszusehen kann dir in Sachen Content sogar Vorteile bieten, denn dann kannst du deine Karriere gleich mal mit einer Transformation starten und damit das erste Jahr deines Influencer-Daseins bestreiten. Und wenn du schon nach was aussehen würdest, müsstest du dich ja nicht transformieren. Dabei ist es auch egal ob du die Statur eines Kastanienmännchen oder die Körperkomposition eines Walrosses hast. In letzterem Fall bekommst du sogar noch einen Bonus bei der Community, du kannst Hater als fatphobic betiteln und sollte der Erfolg ausbleiben, kannst du immer noch auf Body Positivity machen (zum Dank dafür solltest du allerdings der Schutzpatronin Sophia regelmäßig ein Lamm opfern). Starte deine ersten Posts also einfach unter dem Motto „Road to X“, wobei X für so ziemlich alles stehen kann von Six Pack bis Mr. Olympia-Teilnahme. Hier heißt es, wie bei eigentlich allem in diesem Game, klotzen statt kleckern. Überhaupt sind falsche Bescheidenheit oder Schamgefühl für einen angehenden Influencer in etwa so nützlich wie eine GNBF-Mitgliedschaft für Heiko Kallbach.

 

Wie du siehst, brauchst du also keine vorzeigbaren Erfolge in Sachen Fitness und auch kein Fachwissen, denn dafür gibt es ja schließlich andere Fitnessinfluencer, denen du einfach den Content klauen kannst. Was du wirklich brauchst, ist eine Marke! Was ich damit meine ist, dass du dich für einen Supplement-Hersteller entscheidest, mit dem du dich von nun an identifizierst, den du mit religiösem Eifer verteidigst und von dessen Produkten du dich quasi exklusiv ernährst. Dieser Hersteller sollte natürlich super angesagt sein und eine möglichst breite Produktpalette haben, denn dann kannst du schon mal eine Menge an Content kreieren, indem du einfach deren Produkte testest. Wobei testen relativ ist, weil jedes Ergebnis unter 11/10 kategorisch ausgeschlossen ist, da du ansonsten einen Shitstorm der Community riskierst.

 

Und Community ist hier auch das Zauberwort. Wenn du deine Seele einem Supplement-Hersteller verkaufst, erhälst du im Gegenzug schon mal das Wohlwollen einer ebenso großen, wie fanatischen Gemeinschaft, die dich potenziell unterstützt und über fachliche Defizite auch gerne mal hinwegsieht solange du nur regelmäßig deine bedingungslose Liebe zu deinen Protein-Propheten unter Beweis stellst. Und wenn du das ganze nur lang und erfolgreich durchziehst, winkt dir als Lohn irgendwann vielleicht sogar der Ritterschlag der Influencer-Szene, ein Sponsoring in Form eines Affiliate-Codes!

 

Abgesehen von einer Marke brauchst du dann eigentlich nur noch ein Handy und rudimentäre Bildbearbeitungsskills und deinem Aufstieg steht nichts mehr im Wege.

 

 

  1. Content

 

Dafür musst du dann auch regelmäßig Content liefern und ich kann das Wort regelmäßig dabei nicht genug betonen. Jetzt sagt ihr vielleicht: „Uff, dann muss ich mir ja ständig was Neues einfallen lassen“. Naja, „neu“ ist in diesem Kontext schon mal relativ. Sportliche Betätigung im Allgemeinen und Widerstandstraining im Speziellen gibt es jetzt ja schon ein paar (hundert) Jährchen und die Grundprinzipien haben sich in der Zeit auch nicht sonderlich geändert. Das ist, wenn das Ziel darin besteht seinen Followern in hoher Frequenz etwas Revolutionäres zu präsentieren, erstmal ein Problem, das sich aber leicht umgehen lässt, indem man altbekannte Weisheiten einfach anders verpackt. Überhaupt musst du dir, wie bereits weiter oben angeschnitten, auch nicht wirklich selber was ausdenken, sondern du kannst einfach warten, bis ein anderer Influencer was raushaut und das dann entweder in deinen eigenen Worten nochmal wiedergeben oder, falls du mal schlecht geschlafen hast, gegen diesen Content oder gleich den Kollegen an sich schießen und deinen Followern in markigen Worten erklären, warum das Quatsch ist und der Typ keine Ahnung hat. Aber Vorsicht! Mit sowas machst du dich natürlich auch selbst angreifbar und schlimmstenfalls fluten dessen Jünger deinen Kommentarbereich mit negativen Beiträgen und Beleidigungen. Aber auch das ist schließlich Traffic und damit per se erstmal nichts Schlechtes. Und wenn selbst das dir noch zu viel Aufwand ist, kannst du auch einfach „reacten“ in dem du einfach die Videos andere Leute zeigst und dabei im Vordergrund betont konzentriert auf dein Handy starrst und gelegentlich zustimmend nickst oder enerviert den Kopf schüttelst und demonstrativ die Augen verdrehst. Am Schluss dann noch ein „So sieht´s aus“ oder eben „Bullshit“ anhängen und bäm, fertig ist die Laube bzw. der Content.

 

Was auch immer geht, ist Fitnessfood bzw. dessen Zubereitung. Und keine Sorge, du musst natürlich nicht wirklich kochen können, schließlich bist du Fitnessinfluencer und nicht Jamie Oliver. Viel wichtiger als der Geschmack sind die Optik und die Nährwerte, schließlich bietest du die „gesunde“ Alternative zum potenziell giftigen Fraß der Normis. Nährwerte bedeutet in diesem Zusammenhang, dass das Zeug möglichst viel Protein und möglichst wenig Kalorien enthält. Also klatsch einfach irgendwas mit Quark, Protein- und Geschmackspulver zusammen, kipp ein paar Liter kalorienfreie Schokosauce drüber und schnippel ein paar Früchte oben drauf und voilá, fertig ist das Fitnessmeal. Ich hatte ja gesagt, dass Geschmack erstmal nicht wichtig ist, solange es halbwegs genießbar aussieht. Aber nichts desto trotz ist es natürlich wichtig zumindest den Eindruck zu vermitteln, die Pampe wäre geschmacklich eine absolute Offenbarung und viel köstlicher als der fetttriefende Mist, mit dem sich die Restbevölkerung so vollstopft. Wenn du dir also am Ende deines Videos einen Löffel deiner Kreation in den Mund schiebst, vergiss ja nicht dabei dein Orgasmus-Gesicht zu ziehen. Keine Sorge, 99% Prozent deiner Follower sind genauso unfähig und faul wie du und versuchen deshalb ohnehin nicht, den Kram nachzukochen. Und die zwei, drei Muttis die es doch tun werden sich schon was einfallen lassen um den Mist aufzupeppen.

 

Eine weitere Möglichkeit für Content ist Comedy, also irgendwas vermeintlich Lustiges. Ob etwas lustig ist, liegt natürlich im Auge des Betrachters aber wenn es reicht um Dennis aus der 7b ein debiles Grinsen ins Mondgesicht zu zaubern, ist es zweifelsfrei komödiantisches Gold und sollte locker reichen um deine Anhänger zu bespaßen. Wirklich selber was einfallen lassen musst du dir aber auch hier nicht. Nimm am besten einfach irgendeinen alten Sketch oder Witz und versuch irgendeinen Zusammenhang zum Thema Fitness herzustellen, egal wie krampfhaft dieser Versuch auch ausfällt. Oder stell einfach das Video eines anderen 1 zu 1 nach, merkt eh keiner.

 

Oder aber du empfiehlst Supplemente. Das hat den Vorteil, dass du nicht selbst recherchieren oder dir einen Text ausdenken muss, das haben ja schließlich die Hersteller schon für dich erledigt. Einfach auf deren Homepages gehen, Text ausdrucken, ein, zwei Formulierungen ändern und schon hast du ein neues Video mit wissenschaftlichem Background.

 

Wenn du wirklich ambitioniert bis, wagst du dich an die Königsdisziplin eines Fitnessinfluencers, dem Vorstellen und Erklären von Übungen. Du kannst natürlich einfach ein Bankdrück-Tutorial machen, schließlich zieht das immer und auch wenn es zu dem Thema schon 6 Milliarden Videos gibt, gibt es eben noch keins von dir. Noch besser wäre es allerdings, den Leuten etwas ganz Neues zu präsentieren. Das Problem ist eben, dass, wie wir schon festgestellt haben, alle sinnvollen Übungen bereits seit Ewigkeiten bekannt und reichlich durchgekaut sind, was es ein wenig kniffelig macht das Rad neu zu erfinden. Hier ist also tatsächlich mal etwas Kreativität gefragt. Mit herkömmlichen Kurz- und Langhanteln hast du da leider wenig Spielraum, weil die Schwerkraft nur bedingt Variation in der Auswahl sinnvoller Bewegungen zulässt. Aber zum Glück gibt es ja noch Maschinen und Kabeltürme mit quasi unbegrenzten und unerwarteten Einsatzmöglichkeiten. Wenn du dir also erstmal eine Übung ausgedacht hast, musst du dir nur eine Begründung einfallen lassen warum das die beste, unterschätzteste, geheimste, effektivste usw. Übung in der Geschichte der Menschheit ist, die deinen Rücken, dein Training, dein Leben, die Menschheit usw. auf ein ganz neues Level heben wird. Gut kommt hier immer, mit der natürlichen Funktion eines Muskels oder Gelenks zu argumentieren und wenn das zu offensichtlich Unsinn ist, einfach irgendwas mit Faserrichtung zusammenfabulieren. Dazu noch ein paar schicke Anatomie-Illustrationen einfügen und du wirkst sofort kompetent as fuck.

 

Bonus-Tipp: Ich hatte eingangs ja erwähnt, dass es nicht notwendig ist nach Training auszusehen um Fitnessinfluencer zu werden. Das gilt allerdings nicht unbegrenzt. Solltest du schon ein paar Jährchen im Game auf dem Buckel und eine gewisse Reichweite aufgebaut haben, wäre es also durchaus sinnvoll auch tatsächlich öfters mal ins Gym zu gehen, da ansonsten deine Follower und andere, aufstrebende Konkurrenten anfangen könnten, deine Expertise in Frage zu stellen. Wenn das Training nicht wirklich anschlägt oder du verständlicherweise keinen Bock hast Monate wenn nicht Jahre auf sichtbare Ergebnisse zu warten, dann kannst, nein solltest du umgehend anfangen zu stoffen!

Hier hat sich in den letzten Jahren auch eine erfreuliche Entwicklung ergeben. Während Steroide in der Vergangenheit eher verpönt waren, sind sie inzwischen gesellschaftlich vollkommen akzeptiert, wenn nicht gar zelebriert. Wenn du dann also angefangen hast du stoffen, kannst du dich vollkommen frei entscheiden ob du lieber weiterhin behauptest natural zu sein (das dann aber auch wirklich bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit betonen!!!) oder offen zu deinem Konsum stehst. Wenn du dich für Offenheit entscheidest, hast du nochmal ganz neue Optionen in Sachen Output und kannst jeden bereits abgegriffenen Content einfach wiederverwenden, indem du einfach das Thema Steroide einflechtest. So wird aus einer normalen Transformation eben eine Steroid-Transformation, deine lustigen Videos drehen sich irgendwie jedes Mal um Tren und auch beim Koch-Content lässt sich da bestimmt irgendwas machen, Orals statt Obst als Garnitur oder sowas.

Und klar, ein paar Spielverderber werden sicher schreiben, dass man vielleicht erstmal ein paar Monate natural trainieren sollte bevor man sich an Steroide heran wagt oder dass Stoff für Heranwachsende ungesund wäre. Aber erstens sind das alles Pussies, die deine Whatever it takes-Mentalität nicht verstehen und zweitens sind die auch bloß neidisch auf deine massiven Gains. Eventuell hast du ein wenig mit marginalen Nebenwirkungen wie Akne, Stimmungsschwankungen oder partiellem Organversagen zu kämpfen aber auch daraus lässt sich großartiger Content machen der dich sogar noch authentisch und reflektiert wirken lässt. Und sollte die ganze Sache wider Erwarten in einer Katastrophe münden ist auch das noch lange kein Grund, die Flinte ins Korn zu werfen. Dann machst du eben einen auf reuigen Sünder und widmest deiner Social Media-Karriere von nun an dem Kampf gegen all die Substanzen, die du zuvor jahrelang bagatellisiert hast. So oder so kannst du nur gewinnen.

 

 

 

 

 

 

  1. Die nächste Stufe

 

 

Irgendwann wirst du aber vermutlich so groß sein, so viele Follower und Euros gesammelt haben, dass du den Sphären herkömmlicher Influencer entwachsen bist und du die nächste Stufe erklimmen musst.

 

Wenn du dem Fitness-Game grundsätzlich die Treue halten willst, bietet es sich nun an in die eigene Tasche zu wirtschaften indem du deine eigene Supplement-Firma gründest, die natürlich allen anderen Unternehmen aus dem Stand weg um Welten voraus ist weil dein Ziel nicht der schnöde Mammon ist, sondern “Sportlern endlich die Produkte zu bieten die ihnen wirklich weiterhelfen”, zwinker, zwinker. Und das kann natürlich nicht dein bisheriger Sponsor sein, weshalb du keine Gelegenheit verpasst deinen Jüngern subtil aber unmissverständlich klarzumachen, dass deren Produkte in Wirklichkeit totaler Müll sind, entwickelt von geldgeilen Anzugträgern die noch die eine Hantel angefasst haben.

 

Aber vielleicht ödet dich das Fitness-Game auf dieser Stufe deiner Entwicklung auch bereits an und da du ja gezeigt hast, dass du sehr gut im Hochheben von Hanteln bist, musst du folgerichtig auch in allem anderen ein Experte sein. So könntest du zum Beispiel Ratschläge in Sachen Finanzen erteilen. Niemand wirkt bei diesem Thema kompetenter und seriöser als ein Mittzwanziger, der seine Kohle gemacht hat, indem er Seminudes von sich auf Insta geteilt hat.

 

Oder du bleibst weiterhin Coach, aber eben nicht mehr für schnödes Training sondern für das Leben an sich. Wer andern erfolgreich eine Kniebeuge beibringen kann, der kann auch mit wenigen motivierenden Zweizeilern Depressionen beseitigen, Süchte heilen und ganz generell  immerwährende Glückseligkeit garantieren, wenn man nur ein paar Euros investiert um eines deiner Seminare zu besuchen.

 

Und wenn du alle diese Level bereits durchgespielt hast und wirklich keine Herausforderung für dich mehr übrigbleibt, dann hast du die letzte und höchste Stufe auf der Evolutionsskala für Influencer erreicht. Nun ist es an der Zeit, dich von allen weltlichen Belangen zu lösen, in ein tropisches Land auszuwandern und 24/7 Drogen und Ostblock-Models zu ballern. Du hast es geschafft und bist nun kein Influencer mehr, streng genommen noch nicht einmal mehr ein Mensch…nein, jetzt bist du ein Gott! Und weil du zudem ein gütiger Gott bist, der für seine Anhänger nichts als Liebe übrig hat, willst du diese neu gewonnene Weisheit mit allen teilen in dem du ihnen empfiehlst, sich von allen weltlichen und gesellschaftlichen Zwängen wie Arbeit, Familie, Kleidung usw. zu befreien und von nun an ausschließlich zu tun worauf du Lust hast. Dass dieser Lebensstil mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf der Straße statt in einer heißen Russin enden wird, wenn man nicht wie du Millionen auf dem Konto hat, ist ein Detail, dass man in deiner Welt gerne mal übersehen kann, schließlich stehst du über den Dingen. Und überhaupt ist das ja nicht dein Problem und schmälert den Wahrheitsgehalt deiner Philosophie nicht wirklich.

 

Wie ihr also seht ist Influencer zu sein nicht nur ziemlich geil, sondern darüber hinaus auch ziemlich einfach. Man braucht letztlich einfach nur ein Handy und ein ausgeprägtes Sendungsbewusstsein. Also gibt es keinen Grund auch nur einen einzigen weiteren Tag zu warten um deine Karriere zu starten. Denn nichts, wirklich gar nichts braucht diese Welt dringender als einen weiteren Fitnessinfluencer, trust me!

 

 

 

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