Wenn es um die Pausenzeiten zwischen zwei Sätzen einer Übung geht, verfolgen Athleten, denen es primär um den Aufbau von (Maximal-) Kraft geht einen fundamental anderen Ansatz als Athleten, die hauptsächlich Muskulatur aufbauen wollen. So sind Powerlifter berüchtigt dafür, sich zwischen den Sätzen gerne Pausen zu nehmen, die locker für ein gepflegtes Nickerchen oder eine Partie Schach reichen würden, während Bodybuilder in der Regel eher versuchen, ihre Pausen so kurz wie möglich zu halten. Bereits in einer Studie von 1987 gaben Bodybuilder z.B. an, zwischen ihren Sätzen zwischen 10 und 90 Sekunden zu pausieren, während es bei Powerliftern im Schnitt zwischen 120 und 140 Sekunden waren (3). Auch Arnold Schwarzenegger empfahl in seinem Bodybuilding-Lexikon, die Pausen zwischen zwei Sätzen auf maximal eine Minute zu begrenzen. Auch als ich selbst mit dem Training angefangen habe, wurde mir nahegelegt, meine Pausenzeiten zu stoppen und auf 60 Sekunden für leichte und 90 Sekunden für schwere Übungen wie Bankdrücken und Kniebeugen zu limitieren.
Mittlerweile sind bei den meisten Kraftdreikämpfern sogar noch deutlich längere Pausen Usus, während Bodybuilder nach wie vor meist mit kürzeren Satzpausen arbeiten.
Wenn man sich diesen traditionellen Umgang mit Pausenzeiten so anschaut, könnte man zu folgendem Schluss kommen: Lange Pausenzeiten sind gut wenn es um den Aufbau von Kraft geht, kurze Pausenzeiten sind besser für Hypertrophie.
Aber stimmt das auch? Sind kürzere Pausenzeiten wirklich eher zu empfehlen wenn es darum geht, Muskelmasse zu generieren und wie lange sollte die “optimale” Satzpause eigentlich sein? Diese und andere Fragen versuchen wir in diesem Artikel zu beantworten.
Pausenzeiten im Krafttraining
Um dieses Thema gleich mal aus dem Weg zu räumen und weil es tatsächlich schnell und eindeutig zu beantworten ist: Ja, wenn es darum geht, möglichst viel Maximalkraft aufzubauen, sind lange Satzpausen klar überlegen. In jeder einzelnen Studie zum Thema Pausenzeiten, bei denen auch der Kraftanstieg protokolliert wurde, wurden mit längeren Satzpausen bessere Ergebnisse erzielt als mit kurzen Pausen (2). Zumindest, sofern die Teilnehmer bereits trainiert und keine kompletten Anfänger mehr waren.
Für den Aufbau von Kraft ist es unerlässlich, mit möglichst hoher Intensität (Load) ein möglichst hohes Volumen zu absolvieren. Das ist nur möglich, wenn zwischen zwei schweren Sätzen ausreichend Zeit gelassen wird, um im darauffolgenden Satz eine vergleichbare Leistung abrufen zu können.
Pausenzeiten und Muskelaufbau
Aber Muskelaufbau und Kraftaufbau sind zwei paar Schuhe und funktionieren teilweise nach unterschiedlichen Prinzipien. Wie verhält es sich also, wenn es um Hypertrophie statt Kraft geht?
Lange Zeit schien die Wissenschaft die typische Vorgehensweise, also mit kurzen Pausen zu arbeiten, zu bestätigen. Hintergrund war, dass bei kurzen Pausenzeiten ein bedeutend größerer Ausstoß an anabolen Hormonen wie Testosteron und Wachstumshormonen festgestellt wurde und man annahm, dass dies in besserem Muskelaufbau resultieren müsste (4). Heute weiß man jedoch, dass der akute und temporäre Anstieg von anabolen Hormonen nahezu keinen Effekt auf Hypertrophie hat und deshalb zu vernachlässigen ist. Dies wäre nur der Fall, wenn diese Hormone dauerhaft signifikant erhöht wären, wie es bei der Verwendung von Steroiden der Fall ist.
Seitdem hat sich im Bereich der Forschung jedenfalls einiges getan und die neueren Erkenntnisse lassen starke Zweifel an der bisherigen Deutung aufkommen,
Ohne euch unnötig auf die Folter spannen zu wollen, fangen wir deshalb gleich mal mit der gerade erst erschienenen Metastudie von Singer und Kollegen an (1). Es handelt sich um die erste Metastudie, also einer Studie, die bisherige Arbeiten zu diesem Thema zusammenfasst und auswertet, speziell zum Thema Satzpausen in Bezug auf Muskelaufbau und liefert damit bereits eine solide Grundlage zum aktuellen Stand der Wissenschaft.
Und in dieser Studie kommen die Autoren zu dem Schluss, dass auch in Bezug auf Muskelaufbau längere Satzpausen kürzeren überlegen sind. Wobei “lange” und “kurze Pausen” hier lediglich als länger oder kürzer als 60 Sekunden definiert werden. Damit lässt sich zwar schon bereits erahnen, dass die üblicherweise propagierten Empfehlungen der Oldschool-Bodybuilder zumindest skeptisch zu sehen sind, allerdings lässt sich daran noch nicht herleiten, wie lange eine Pause denn nun idealerweise sein sollte.
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir etwas tiefer in die Materie einsteigen und uns auch die einzelnen Studien zu diesem Thema genauer anschauen. Und dabei wird schnell klar, dass wir zunächst einmal unterscheiden müssen, um welche Übungen es sich eigentlich handelt.
Pausenzeiten bei Grundübungen
Grundübungen, manchmal auch Mehrgelenksübungen genannt, zeichnen sich dadurch aus, dass im Gegensatz zu Isolationsübungen mehrere Muskeln und Gelenke involviert sind. Typische Beispiele wären z.B. Bankdrücken, Kniebeugen und Kreuzheben, aber auch z.B. die Beinpresse (bei der Knie- und Hüftgelenk beteiligt sind). Durch dieses Zusammenspiel mehrerer Muskeln werden bei Grundübungen auch höhere Gewichte bewegt als bei Isolationsübungen.
Die wissenschaftlichen Arbeiten zu Pausenzeiten bei Grundübungen zeichnen ein recht klares Bild und kommen fast unisono zu dem Ergebnis, dass längere Pausenzeiten zu besseren Resultaten führen. Longo und Kollegen (6) ließen ihre Probanden an einer Beinpresse trainieren und verglichen den Muskelaufbau zwischen einer Gruppe mit einer Minute Pause und einer Gruppe, die 3 Minuten pausierte und konnten bei letzterer einen signifikant höheren Muskelzuwachs feststellen. Zum selben Schluss kommen auch Buresh und Kollegen, die Pausenzeiten von 2,5 Minuten mit Pausen von einer Minute verglichen. Und auch die wohl am besten designte Studie von Schoenfeld und Kollegen (7), bei der die Teilnehmer gleich mehrere Grundübungen ausgeführt haben, zeigt deutlich bessere Resultate in allen gemessenen Bereichen bei der Gruppe, die 3 Minuten pausierte statt nur einer.
Einen Ausreißer gibt es jedoch, und zwar die Studie von Villanueva (10). Hier wurden Satzpausen von 4 Minuten mit Satzpausen von einer Minute verglichen und in diesem Versuch schnitt die Gruppe mit den kürzeren Pausenzeiten etwas besser ab. Allerdings weist diese Studie deutliche Schwächen auf. So haben beide Gruppen das identische Programm mit dem selben Load absolviert, also gleiche Sätze, gleiche Wiederholungen, gleiches Arbeitsgewicht. Da bei kürzeren Pausenzeiten aber die Leistung mit jedem weiteren Satz deutlich abnimmt, ist davon auszugehen, dass die Teilnehmer der Gruppe mit den kürzeren Zeiten einfach wesentlich näher am Muskelversagen trainiert haben als die Probanden, die länger pausieren durften. Wenn man nun berücksichtigt, dass es für Hypertrophie grundsätzlich erforderlich ist, zumindest bis in die Nähe des Muskelversagens zu kommen, dann erklärt das die Ergebnisse und lässt darauf schließen, dass es nicht die kürzeren Pausen per se waren, die hier den Unterschied gemacht haben. Des Weiteren waren die Teilnehmer der Studie allesamt ältere Männer. Inwiefern auch das einen Einfluss gehabt haben könnte, erklären wir später.
Festzuhalten bleibt jedoch dass, sofern alle Sätze mit vergleichbarer Intensität ausgeführt wurden, bei Grundübungen eine klare Tendenz zu erkennen ist, dass längere Satzpausen von 2,5 bis 3 Minuten kürzeren Pausenzeiten überlegen sind wenn es um den Aufbau von Muskelmasse geht.
Es gibt allerdings Indizien dafür, dass diese Unterschiede ausgeglichen werden können, wenn dafür mehr Volumen absolviert wird. So gab es in der Studie von Longo noch eine dritte Gruppe, die ebenfalls nur mit einer Satzpause von einer Minute gearbeitet hat, dafür 4 bis 5 Sätze absolviert hat, statt nur 3 wie die anderen Gruppen. Hier waren die Resultate mit der 3 Minuten-Gruppe vergleichbar. Auch bei einer Arbeit von Ahtiainen und Kollegen (11) konnte höheres Volumen die Nachteile von kürzeren Pausenzeiten ausgleichen (wobei hier Zeiten von 2 Minuten, was nicht wirklich kurz ist, mit 5 Minuten verglichen wurden).
Pausenzeiten bei Isolationsübungen
Anders sieht es hingegen bei Isolationsübungen aus. Bei diesen wird nur ein Muskel merklich belastet und es ist auch nur ein Gelenk involviert. Ebenso werden hier meist deutlich geringere Gewichte bewegt.
Was die Forschung zu Pausenzeiten bei Isolationsübungen angeht, so ist die Lage alles andere als eindeutig. In der bereits erwähnten Arbeit von Buresh und Kollegen waren auch Isolationsübungen Teil des Trainingsprogramms und in dieser Studie wurden bei längeren Pausen bessere Ergebnisse erzielt. Hier ist es aber wahrscheinlich, dass die ebenfalls beinhalteten GÜs, bei denen längere Pausen nachweislich besser sind, das Gesamtresultat verfälscht haben.
Fink und Kollegen (12) verglichen Curls und Trizeps-Extensions mit Pausenzeiten von 30 Sekunden und 3 Minuten. Und hier konnte die Gruppe mit den kurzen Pausen einen höheren Zuwachs an Muskeln verzeichnen.
Ozaki und Kollegen teilten Ihre Probanden in 3 Gruppen auf mit Pausenzeiten von 3 Minuten und 90 Sekunden trainieren, während eine dritte Dropsätze absolvierte, also überhaupt keine Pausen machte, sondern nach erreichen des Muskelversagens das Gewicht reduzierte und weitertrainiert hat. Bei dieser Versuchsanordnung hatten alle drei Gruppen die selben Zuwächse zu verbuchen.
In einer weitere Studie, die wir auch bereits im Rahmen unseres Artikels zu Intensitätstechniken besprochen hatten, betrachteten wieder Fink und Kollegen (15) den Effekt von Dropsets gegenüber herkömmlichen Sätzen mit moderaten Pausen, mit dem besseren Ausgang für die Dropset-Gruppe.
Jedenfalls ist die Studienlage bei Isolationsübungen im Gegensatz zu den Grundübungen alles andere als eindeutig, wenn es um Pausenzeiten und Hypertrophie geht. Die Erkenntnisse der Forschungen lassen allenfalls vermuten, dass die Dauer der Satzpausen bei Isos keine große Rolle zu spielen scheint. Man könnte, und ich betone hier den Konjunktiv, sogar argumentieren, dass sich eine minimale Tendenz in Richtung kürzerer Pausenzeiten abzeichnet, wobei auch das alles andere als erwiesen und aktuell reine Mutmaßung ist.
Erklärungsversuche
Aber wie lassen sich diese Unterschiede erklären? Sollten nicht grundsätzlich auch bei Isolationsübungen die gleichen Reaktionen auf Einflüsse, in diesem Fall längere Satzpausen, erfolgen, wenn vielleicht auch in geringerem Maß?
Zunächst ist man geneigt, die Abnahme beim Gesamtload als entscheidenden Faktor zu benennen, wenn es darum geht zu erklären, warum kürzere Satzpausen bei Grundübungen kontraproduktiv sind. Und das scheint erstmal auch logisch. Wenn man die Satzpausen kurz hält, wird man in den aufeinanderfolgenden Sätzen einen deutlichen Leistungsbeinbruch feststellen, wodurch der Gesamtload, also das Arbeitsgewicht multipliziert mit den absolvierten Reps und Sätzen, geringer ausfällt als bei längeren Pausen. Aber wie wir bereits in diesem Artikel ausführlich beschrieben haben, kann man in einer Rep Range von 5 bis ca. 35 Reps, oder mit 30% bis ca. 85% des 1RM der identische Muskelaufbau erzielt werden sofern die Sätze nahe genug ans Muskelversagen ausgeführt werden. Berücksichtig man nun die teils erheblichen Unterschiede in Sachen Gesamtload, die sich innerhalb dieser Rep-Range ergeben könne, so muss man unweigerlich zu dem Schluss kommen, dass der Gesamtload in Sachen Hypertrophie keine wirkliche Rolle spielt.
Auch Schoenfeld und Kollegen kommen in Ihrer Metaanalyse (14) zum Thema Muskelaufbau und Volumen zu dem Schluss, dass zusätzliches Volumen in Form von addierten Sätzen durchaus Einfluss auf den Muskelaufbau hat, die aber nichts mit dem Gesamtload zu tun hat. Dieser hat laut Schoenfeld keinen direkten Einfluss auf den Muskelaufbau.
Eine mögliche Erklärung liefern Beardsley (2016) und Helms (2020) in zwei thematisch verwandten Artikeln. In ihrer These ist die akute Erschöpfung des zentralen Nervensystems, die “central fatigue”, nicht zu verwechseln mit der kumulierten chronischen Erschöpfung des ZNS z.B. bei Übertraining, für diesen Effekt verantwortlich. Nach körperlicher Anstrengung tritt kurzzeitig der Effekt auf, dass das zentrale Nervensystem nur noch beeinträchtigt mit den Muskeln kommunizieren kann und dadurch nicht alle Muskelfasern rekrutiert werden können. Dies würde sich natürlich erheblich auf den Muskelaufbau auswirken, wenn nicht gewartet wird, bis diese Beeinträchtigung abgeklungen ist. Naheliegend scheint zudem, dass dieser Effekt bei Grundübungen stärker auftritt weil mehr Muskelmasse an den Übungen beteiligt ist und schwerere Lasten bewegt werden.
Allerdings hat diese These ihre Schwächen. So gibt es überraschenderweise Hinweise, dass die “central fatigue” sogar stärker ausfällt, wenn nur wenige Muskeln betroffen sind (20). Darüber hinaus scheint das bewegte Gewicht bzw. der Grad der Anstrengung keine Auswirkung darauf zu haben, wie lange es dauert bis die central fatigue abgeklungen ist. Stattdessen scheint dies eher von der Dauer der Muskelkontraktion abzuhängen.
So wurde bei typischen Kraftübungen festgestellt, dass die central fatigue bereits nach unter zwei Minuten abgeklungen war, bei leichten isometrischen Kontraktionen über einen längeren Zeitraum allerdings auch nach 20 Minuten und mehr noch nachweisbar waren (22, 23).
Damit bleibt festzuhalten, dass es Stand jetzt keine abschließende Erklärung dafür gibt, warum längere Pausenzeiten bei Grundübungen zu besseren Resultaten führen, die Ergebnisse bei Isolationsübungen aber unklar oder gar konträr sind. Dass es in irgendeiner Weise mit dem Grad der Anstrengung zu tun hat, scheint zwar plausibel, welche Mechanismen hier aber genau wirken, muss in weiteren Forschungsarbeiten beantwortet werden.
Welche Faktoren könnten einen Einfluss auf die optimale Länge von Pausenzeiten haben?
Die bisher aufgeführten Studien lassen bereits recht klare Rückschlüsse auf die optimale Länge von Satzpausen zu, wie immer stellen die daraus gewonnen Erkenntnisse aber nur einen Durchschnittwert dar. Deshalb wäre es zusätzlich interessant zu wissen, ob es individuelle Faktoren gibt, die einen Einfluss auf die Länge der Satzpausen haben. Und ja, die gibt es tatsächlich:
Kraftniveau: In einer Studie zu den Auswirkungen von Pausenlängen auf die Leistung im Bankdrücken (26) wurden die männlichen Probanden in eine Gruppe mit einem hohen 1RM und eine mit einem deutlich niedrigeren eingeteilt. In dieser Studie wurde zwar nicht der Muskelaufbau gemessen, allerdings zeigte ich deutlich, dass die stärkeren Teilnehmer signifikant länger gebraucht haben, um ihre Leistungsfähigkeit nach einem Satz wieder herzustellen bzw. dass die schwächere Gruppe ihre Wiederholungszahlen deutlich konstanter halten konnte.
Geschlecht: In der selben Studie wurden auch die Leistungen der Männer mit denen der teilnehmenden Frauen verglichen. Das Ergebnis war, dass Frauen deutlich schneller regeneriert waren. Da diese allerdings auch deutlich schwächer waren, lässt sich allein daraus noch nicht ableiten, ob Frauen generell schneller regenerieren als Männer. In einer weiteren Studie von Fulco und Kollegen (28), bei der die Kraftlevel der teilnehmenden Männer und Frauen angepasst waren, zeigte sich bei den weiblichen Teilnehmern allerdings ebenfalls eine schnellere Regeneration. Des Weiteren scheinen Frauen einen höheren Anteil an Typ 1-Muskelfasern zu besitzen, welche für Ausdauerleistungen verantwortlich sind und schneller regenerieren können als Typ 2-Muskelfasern.
Alter: Ähnlich gestaltet sich das Bild, wenn es um das Alter als Faktor in Sachen Regeneration und Pausenzeiten geht. Auch hier gibt es Studien, die ältere mit jüngeren Probanden verglichen und testeten, wie schnell die Teilnehmer mit verschiedenen Pausenzeiten ihre Leistungsfähigkeit regenerieren konnten (30, 31). Auch hier konnten die älteren Gruppen schneller regenerieren. Aber auch bei diesen Studien ergibt sich das Problem, dass die älteren Teilnehmer auch deutlich schwächer waren als die jüngeren und das den Unterschied erklären könnte. Allerdings bilden sich im Alter verstärkt Typ 2 Muskelfasern zurück und der Anteil der Typ 1-Muskelfasern steigt an, so dass, wie auch bereits beschrieben, es sehr wahrscheinlich erscheint, dass sich die Muskeln älterer Menschen schneller erholen können und demnach weniger lange Pausenzeiten brauchen.
Das bringt uns auch zurück zur weiter oben aufgeführten Studie von Villanueva, die mit Männern im Durchschnittsalter von 68 Jahren durchgeführt wurde und die die einzige war, bei der die Teilnehmer Grundübungen ausgeführt hatten und mit kürzeren Pausenzeiten die besseren Ergebnisse erzielen konnten. Dies könnte ebenfalls darauf hindeuten, dass ältere Menschen auch mit kürzeren Pausen auskommen könnten.
Wie bereits erwähnt, wurde in keiner der in diesem Abschnitt genannten Studien (abgesehen von Villanueva) direkt der Muskelaufbau in Verbindung mit Satzpausen untersucht, sondern lediglich die Regenerationsfähigkeit dieser Personengruppen nach einer Anstrengung. Da aber ein Zusammenhang zwischen Regeneration bzw. Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit und der idealen Länge von Satzpausen durchaus plausibel ist, ergeben sich zumindest Hinweise, dass diese Faktoren die optimale Pausenlänge beeinflussen könnten.
Kontinuierliche Reduktion der Pausenzeiten
Eine Frage, die wir bis jetzt noch nicht beantwortet haben ist, was passiert, wenn man die Pausenzeiten über einen gewissen Zeitraum immer weiter reduziert. Und auch zu diesem Szenario gibt es 2 Studien von de Souza und Kollegen (33, 34). In diesen Studien (die prinzipiell einen nahezu identischen Aufbau hatten, abgesehen davon, dass in der zweiten zusätzlich Creatin verabreicht wurde) wurden die Teilnehmer in zwei Gruppen unterteilt. Beide Gruppen trainierten den selben Plan und nutzten zunächst Satzpausen von 2 Minuten. Aber während die eine Gruppe durchgehend mit dieser Dauer pausierte, reduzierte die zweite Gruppe die Pausenzeiten stückweise über den Verlauf des Versuchs, bis sie zuletzt Satzpausen von lediglich 30 Sekunden verwendete. Nach 8 Wochen wurden die Ergebnisse verglichen und wie sich herausstellte, erzielten beide Gruppen den gleichen Zuwachst an Kraft und Muskulatur.
Wie ist das zu erklären und widerspricht das nicht der Schlussfolgerung, dass längere Pausen zumindest bei Grundübungen (die in beiden Studien Teil des Programms waren) überlegen sind? Um das zu beantworten, müssen wir die Resultate dieser Arbeiten etwas genauer unter die Lupe nehmen. Dabei fällt auf, dass die Gruppe mit den konstanten Pausenzeiten über den Verlauf der Studie den absolvierten Gesamtload (Gewicht x Wiederholungen x Sätze) in den Grundübungen immer weiter steigern konnte, während die andere Gruppe diesen konstant hielt bzw. sich sogar leicht reduzierte. Wie wir wissen, ist progressive Overload (bzw. die stetige Steigerung des Schwierigkeitsgrads im Training) der Haupttreiber für Hypertrophie. Progressive Overload kann aber nicht nur durch zusätzliches Gewicht oder Wiederholungen, sondern auch durch eine Verlangsamung der Ausführungsgeschwindigkeit oder, wie hier der Fall, durch eine Reduzierung der Pausenzeiten erreicht werden. Das bedeutet, dass hier weniger ein Gewöhnungseffekt eingesetzt hat, sondern dass die Gruppe, die die Satzpausen reduziert hat, diese Reduktion als Hebel für progressive Overload genutzt hat, während die andere Gruppe hierfür zusätzliches Arbeitsgewicht verwendete.
Allerdings lassen sich die Pausenzeiten nicht unendlich reduzieren und hätten beide Gruppen anschließend noch weitertrainiert, eine mit 2 Minuten, die andere mit 30 Sekunden Pausen, dann ist davon auszugehen, dass in diesem Vergleich die Gruppe mit den längeren Pausenzeiten auf Dauer besser abgeschnitten hätte in Sachen Muskelaufbau. Allerdings zeigt sich dadurch auch, dass man durchaus auch kürzere Pausenzeiten zumindest phasenweise nutzen kann, um den Körper zum Adaptieren zu zwingen. Besonders wenn man Zeit sparen möchte, bietet es sich an von diesem Tool Gebrauch zu machen. Es ändert aber nichts daran, dass längere Pausenzeiten bei Grundübungen trotzdem vorzuziehen sind.
Fazit zum Thema Pausenzeiten
Zumindest wenn es um Grundübungen geht, muss man nach Betrachtung aller wissenschaftlichen Arbeiten zu diesem Thema zu dem Schluss kommen, dass die alten Bodybuilding-Weisheiten in Sachen Pausenlänge überholt sind. In nahezu jeder Studie zeigt sich, dass sich mit längeren Pausenzeiten ab ca. 2,5 Minuten bessere Ergebnisse erzielen ließen statt mit kürzeren von einer Minute oder kürzer. Das deckt sich auch mit meinen persönlichen, subjektiven Erfahrungen. Ich hatte, als ich noch krampfhaft versucht habe, meine Pausenzeiten möglichst kurz zu halten, immer das Gefühl, dass der erhebliche Leistungseinbruch zwischen den Sätzen die möglichen Benefits wieder wettmachen würde und ich so Potenzial auf der Strecke lassen würde.
Bei Isolationsübungen sind die Ergebnisse deutlich unklarer und wenn überhaupt, zeigt sich hier sogar eine minimale Tendenz zu kürzeren Pausen. Die genauen Mechanismen hinter dieser Diskrepanz sind nicht eindeutig zu benennen aber ein Zusammenhang mit der erheblich höheren systemischen Erschöpfung bei schweren Lasten scheint logisch die naheliegendste Begründung zu sein.
Welche Empfehlung lässt sich daraus für die Praxis ableiten? Man könnte nun natürlich einfach mit den Zahlen arbeiten, die aus wissenschaftlicher Sicht die besten Resultate versprechen. Dementsprechend müsste die Empfehlung lauten, bei Grundübungen nach jedem Satz eine Pause von 2,5 bis 3 Minuten einzuhalten. Bei Isolationsübungen ergibt sich aus der Studienlage keine spezielle Empfehlung, hier kann man ganz nach Belieben mit langen, kurzen oder gar keinen Pausen (Drop Sets, Myo-Reps usw.) arbeiten.
Nun bin ich grundsätzlich ein Fan von pragmatischen Lösungen und absolut kein Freund davon, seine Satzpausen damit zu verbringen, auf eine Stoppuhr zu starren. Da ich außerdem ein Freund von intuitivem Vorgehen bin, empfehle ich stattdessen, einfach auf seinen Körper zu hören und dann den nächsten Satz zu beginnen, wenn man sich dafür bereit und erholt fühlt. Als Anhaltspunkt dafür könnte zum Beispiel dienen, dass sich die Atmung wieder normalisiert hat und der Puls nur noch leicht erhöht ist. Nach einem schweren Satz Kniebeugen oder Kreuzheben zum Beispiel, dauert es eben eine gewisse Zeit bis man wieder halbwegs erholt ist, während dies bei einem Satz Trizepsdrücken wesentlich schneller der Fall sein sollte. Im Normalfall sollten dabei auch in etwa die Zeitspannen zusammenkommen, die sich bei den verschiedenen Studien als vorteilhaft herauskristallisiert haben, wobei man zumindest anfangs durchaus auch prüfen sollte, wie lange die Pausen dann tatsächlich ausfallen und man ggf. Anpassungen vornehmen kann. Auf diese Weise regulieren sich die Pausenzeiten automatisch auf ein praktikables Maß und ermöglichen es, die Leistungsfähigkeit aufrecht zu erhalten, ohne dies ständig prüfen zu müssen oder die Workouts unnötig in die Länge zu ziehen.
Ein weiterer Vorteil dieses Verfahrens besteht darin, dass es auch flexibler ist als eine fixe Zeit zu verwenden. Denn wie wir ja bereits weiter oben besprochen hatten, ist es hochwahrscheinlich, dass Faktoren wie Alter, Geschlecht, Kraftniveau und allgemeine Fitness bei der Wahl der optimalen Pausenlänge eine wichtige Rolle spielen und eine pauschale Angabe deshalb vermutlich wenig zielführend wäre.
Wenn es mal schnell gehen soll, haben wir außerdem gelernt, dass sich eine Reduzierung der Pausenzeiten zumindest zeitweise auch als Mittel des progressiven Overloads eignet. Auf einen überschaubaren Zeitrahmen bezogen ist es also in Sachen Hypertrophie kein Beinbruch, die Pausen auch mal bewusst kurz zu halten. Möchte man, warum auch immer, dauerhaft mit kürzeren Pausen arbeiten, wäre es ratsam dies durch zusätzliches Volumen auszugleichen, um so den selben Muskelaufbau wie mit längeren Pausen zu erzielen.
Ach ja, und Powerlifter dürfen nach wie vor gerne ihren Schlafsack oder ein gutes Buch ins Training mitbringen…
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