Eine Einführung ins Wettkampf-Bodybuilding – Verbände, Klassen, Regeln und Wertungskriterien
Bodybuilding als Wettkampfsport hat in der breiten Öffentlichkeit einen schweren Stand. So wird selbst hier auf diesem Board immer mal wieder gestritten, ob Bodybuilding mangels objektiv messbarer Ergebnisse bei den Wettkämpfen überhaupt die Bedingungen erfüllt, um als echter Sport bezeichnet zu werden. Für viele ist Bodybuilding deshalb eher eine Art Schönheitswettbewerb mit Fokus auf ausgeprägte Muskulatur, und für wieder andere eine reine Freakshow. Ein weiteres Problem in der öffentlichen Wahrnehmung ist der, im Vergleich zu anderen Sportarten, offensichtlich erkennbare Gebrauch von Steroiden und anderen PEDs, wobei nach wie vor kein Verband diese explizit erlaubt. Deshalb wird Bodybuilding als Bühnensport vermutlich niemals im Mainstream ankommen und immer ein Nischensport bleiben.
Aber selbst für Fans, die sich grundsätzlich für das Thema interessieren, ist es oftmals nicht einfach, Zugang zum Wettkampfbodybuilding zu finden. Unzählige Verbände (inklusive Unterverbänden), viele unterschiedliche Klassen und schwer zu erfassende Wertungskriterien machen es Einsteigern alles andere als einfach, den Sport vollumfänglich zu verstehen.
Ich selbst bin da keine Ausnahme. Als ich angefangen habe, mich mit (Profi-) Bodybuilding auseinanderzusetzen, hatte ich zwar, durch jahrelange Beschäftigung mit der Fitness- und Bodybuildingszene, bereits gewisse Vorkenntnisse, aber trotzdem fiel es mir äußerst schwer, die Wertungen und Regeln nachvollziehen zu können. Insbesondere wie Athleten bewertet werden war etwas, das ich erstmal erlernen musste, denn für mich waren das zwar alles äußerst beeindruckende Muskelpakete, aber warum wer wo platziert war, hat sich mir nicht auf Anhieb erschlossen.
Um diesen Lernprozess abzukürzen, Interessierten den Einstieg in die Welt des Wettkampfbodybuilding zu erleichtern und somit dazu beizutragen, den Sport populärer zu machen, habe ich deshalb diesen Artikel geschrieben. Er soll Fans und solche die es vielleicht werden wollen, einen kompakten Überblick über die wichtigsten Verbände, Klassen und Regeln bieten und zudem anhand von Beispielen erläutern, worauf bei der Wertung zu achten ist. Legen wir deshalb gleich mal los!
Geschichte
Grundsätzlich waren athletische Körper in der Menschheitsgeschichte schon früh angesehen und glorifiziert. Schon im alten Ägypten wurde ein muskulöser und definierter Körper angestrebt, wie sich auf Darstellungen nachweisen lässt. Ungleich bekannter sind die Bilder und Statuen aus der Antike, also aus Griechenland oder dem römischen Reich, die außergewöhnlich gutgebaute Körper darstellen. Überliefert ist z.B. auch folgender Ausspruch von Sokrates: „Kein Bürger hat ein Recht darauf ein Amateur in der Frage der körperlichen Ertüchtigung zu sein … was eine Schande ist es für einen Mann zu wachsen und zu altern, ohne jemals die Schönheit und Stärke zu erblicken, zu welcher sein Körper in der Lage ist“.
Der erste echte Bodybuildingwettkampf fand dagegen erst 1901 in London statt. Ins Leben gerufen wurde er von Eugene Sandow, der als Friedrich Wilhelm Müller in Königsberg (Ostpreußen) geboren wurde. Bekannt war Sandow in erster Linie als Kraftathlet, der zur Unterhaltung des Publikums spektakuläre Kraftleistungen auf der Bühne vorführte. Dabei merkte er irgendwann, dass viele sich weniger für seine Leistungen, als vielmehr für seinen für damalige Verhältnisse außergewöhnliche Körperbau interessierten. Deshalb begann er irgendwann, neben dem Bewegen schwerer Gewichte, auch Posen auszuführen um seine Muskeln zur Schau zu stellen. Nachdem er als einer der ersten die Nachfrage nach „Bodybuilding“ erkannt hatte, veranstaltete er deshalb schließlich die oben beschriebene „The great Competition“ um aus 12 Männern, den ersten Sieger zu ermitteln. Sandow gilt somit als Begründer des modernen Bodybuildings und um ihn zu ehren, ist die Siegertrophäe des Mr. Olympia-Contests, ihm nachempfunden.
Der Vater des Bodybuilding: Eugene Sandow
In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich Bodybuilding immer mehr zu dem Sport, wie wir ihn heute kennen. 1947 wurde dann zum ersten Mal der Titel des Mr Universe verliehen, damals noch im Rahmenprogramm der Gewichtheber-WM in Philadelphia, 2 Jahre später dann erstmals als Hauptevent und unter der zuvor gegründeten NABBA. Bereits 1946 wurde die IFBB durch Joe und Ben Weider gegründet, die dann im Jahre 1965 mit Larry Scott zum ersten Mal den Mr Olympia kürten, den bis heute höchsten Titel im Bodybuilding.
Einen enormen Popularitätsschub erfuhr der Sport während der sogenannten Golden Era in den späten 60er und den 70er Jahren, als Legenden wie Arnold Schwarzenegger, Frank Zane, Franco Columbo und Lou Ferrigno um den Titel kämpften. Besonders Schwarzenegger trug durch seine charismatische Art und seinen späteren Erfolg als Filmstar erheblich dazu bei, Bodybuilding auch außerhalb der Szene bekannt zu machen und in gewissem Maße in den Mainstream zu erheben.
Amateur und Profiwettkämpfe
Wie in vielen anderen Sportarten auch, wird Bodybuilding in einen Amateur- und einen Profi-Bereich aufgeteilt. Der erhebliche Großteil der Bodybuilder sind dabei Amateure. Auch auf dieser Ebene gibt es durchaus namhafte Events mit großer Reputation wie Weltmeisterschaften oder der Mr Universum (der nach wie vor zu den bekanntesten Wettkämpfen zählt aber nicht der prestigeträchtigste ist). Durch gutes Abschneiden auf einem Wettkampf mindestens auf nationaler Ebene, hat man die Chance, eine Pro-Card zu gewinnen. Die genauen Bedingungen für den Gewinn der Pro-Card unterscheiden sich jedoch ja nach Verband und teilweise auch je nach Event. Manchmal muss man für diese einen Overall-Sieg erreichen, während bei anderen Events sogar schon eine Top 3-Platzierung in einer Klasse reicht. Grundsätzlich ist man mit dem Gewinn der Pro-Card noch kein Pro-Bodybuilder, sondern muss diese erst aktivieren und an einem Pro-Contest teilnehmen, ansonsten bleibt man Amateur. Es gibt durchaus Athleten, die die Pro-Card gewinnen und trotzdem bewusst Amateure bleiben. Thomas Scheu wäre hier ein Beispiel, der die Pro-Card sogar mehrfach gewinnen konnte aber nie eingelöst hat.
Der größte Unterschied zwischen einem Amateur- und einem Profi-Wettkampf besteht, neben der Qualität der Teilnehmer, darin, dass es bei den Pro-Shows Preisgelder zu gewinnen gibt, während es bei Amateur-WKs (meist) nur Sachpreise zu gewinnen gibt, wenn überhaupt.
Die Wettkämpfe mit dem größten Renommee sind natürlich Profi-Wettkämpfe.
Die Verbände
Ähnlich wie z.B. auch beim Boxen gibt es im Bodybuilding unzählige Verbände, mit teilweise unterschiedlicher Ausrichtung, Ausbreitung, Reglement und Klassen. Wirklich alle aufzuzählen, würde hier den Rahmen sprengen und den einen oder anderen Wald und Wiesen-Verband würde ich wahrscheinlich trotzdem noch vergessen. Deshalb, und weil der erhebliche Großteil der Verbände für den durchschnittlichen BB-Fan ohnehin keine Relevanz haben, beschränke ich mich hier auf die (aus deutscher und internationaler Sicht) größten und bekanntesten.
GNBF (German Natural Bodybuilding & Fitness Federation)
Die GNBF wurde 2003 von Berend Breitenstein in Hamburg gegründet. Wie der Name schon sagt handelt es sich bei der GNBF um einen Verband für Naturales Bodybuilding, bei dem die angemeldeten Athleten sowohl bei Events, als auch bei Out of Season-Tests nachweisen müssen, dass sie dopingfrei sind. Die GNBF gehört, wie auch die ANBF und die SNBF, zu den internationalen Dachverbänden INBA (International Natural Bodybuilding Association) bzw. PNBA (Professional Natural Bodybuilding Association). Je einmal im Jahr wird die deutsche und die internationale Deutsche Meisterschaft an wechselnden Standorten veranstaltet.
NAC (National Athletic Committee Germany)
1999 als athletenfreundliche und demokratischere Alternative zum DBFV gegründet, ist das NAC einer der aktivsten und bekanntesten Bodybuilding-Verbände in Deutschland. Gegliedert ist das NAC in die 4 Landesverbände Nord, Ost, Süd und West, die jeweils eigene Meisterschaften veranstalten, deren Topplatzierte dann an der deutschen Meisterschaft teilnehmen dürfen. Die regionalen Meisterschaften dienen also als Qualifier. Dachverband des NAC ist das NAC International. Diese veranstalten auch einen Mr Universe, den man allerdings nicht mit dem Mr Universe der NABBA verwechseln sollte.
NABBA/WFF
Die NABBA (National Amateur Bodybuilding Association) ist einer der ältesten Verbände und war lange Zeit auch einer der renommiertesten. Seit 1948 veranstaltet die NABBA den Mr Universum, der so bekannt ist, dass Laien oftmals glauben es handele sich um den höchsten Titel, den es im Bodybuilding zu gewinnen gibt. So liest sich die Liste der Gewinner auch wie ein Who is who der Bodybuilding-Geschichte (u.a. Reg Park, Arnold Schwarzenegger, Flex Lewis und viele andere). Um nicht nur das Hardcore-Bodybuilding bedienen zu können, wurde 1997 der Unterverband WFF (World Fitness Federation) gegründet, durch den auch weniger massive Athleten Wettkämpfe unter dem Dach der NABBA bestreiten können. In den letzten Jahren hat die NABBA erheblich an Bedeutung verloren und war in Deutschland zeitweise nicht mehr bzw. nur noch durch die WFF aktiv.
DBFV (Deutscher Bodybuilding- und Fitness-Verband)
1966 unter anderem von Albert Busek und Arnold Schwarzenegger gegründet, ist der DBFV der größte und älteste deutsche Bodybuilding-Verband. Unterteilt ist der DBFV in 15 Landesverbände, die eigene Wettkämpfe veranstalten und deren Gewinner an der deutschen Meisterschaft teilnehmen dürfen, die nach wie vor die prestigeträchtigste Meisterschaft in Deutschland sein dürfte. Der DFBV ist, anders als die bisher genannten Verbände, von der IFBB akkreditiert.
NPC (National Physique Commitee)
Das NPC war der zuständige Amateurverband Amateurverband der IFBB für Nordamerika. Seit der Abspaltung der IFBB Pro-League 2017 ist das NPC nun der alleinige Amateurverband für diese und dementsprechend auch international aktiv. Nur auf einem NPC-Event ist es somit möglich, eine Pro Card für die IFBB Pro-league zu gewinnen, wobei es grundsätzlich Athleten aller Verbände offensteht, an einem solche teilzunehmen. Allein dadurch ist das NPC die angesehenste und bekannteste Amateurvereinigung im Bodybuilding.
IFBB (International Federation of Boybuilding & Fitness)
Über allem thront die IFBB. Die IFBB wurde 1946 von Ben und Joe Weider mit dem Ziel gegründet, die besten Bodybuilder der Welt unter einem Dach zu vereinen und gegeneinander antreten zu lassen. Die Weider-Brüder sind als Entdecker von Arnold Schwarzenegger, Herausgeber von Magazinen wie Flex und Muscle and Fitness und Veranstalter des Mr. Olympia-Contests in der BB-Szene absolute Legenden und hauptverantwortlich für heutige Popularität des Sports. Die IFBB ist nicht die ältestes Bodybuilding-Organisation der Welt aber mit weitem Abstand die bekannteste, einflussreichste und mächtigste.
2017 wurde die IFBB allerdings aufgespalten. Nachdem die südamerikanischen Tochterverbände der IFBB der (oben genannten) NPC Regelverstöße vorgeworfen hatte (u.a. nicht autorisierte und unzureichend erfahrene Judges), wurde die NPC, samt ihrem Präsidenten Jim Manion von der IFBB suspendiert. Manion war bzw. ist aber nicht nur Präsident der NPC sondern auch der IFBB Professional League, der Profi-Liga der IFBB. Als Reaktion verkündeten NPC und IFBB Pro League deshalb einen Tag nach der Suspendierung ihre Loslösung von der IFBB. Pro Cards für die IFBB Pro League können seitdem nur noch über, von der NPC veranstaltete Pro-Qualifier gewonnen werden und nicht mehr über die bisherigen Events der IFBB. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass man nicht mehr Mitglied der IFBB bzw. eines Verbands unter dem Dach der IFBB sein muss, um an einem solchen Pro-Qualifier teilnehmen zu dürfen.
Die IFBB wiederum reagierte mit der Einführung der IFBB Elite Pro Division, als neuer Profi-Organisation der IFBB. Die Pro-Card für diese erhält man nach wie vor durch die Qualifikation über die Wettkämpfe der IFBB Amateur League oder der Partnerverbände (wie dem DBFV).
Die inzwischen eigenständige IFBB Pro League ist dabei nach wie vor die absolute Champions League in Sachen Bodybuilding, da sie unter ihrem Dach nicht nur die absolute Elite der Bodybuilder vereint, sondern auch die renommiertesten Events wie die Arnold Classic und den Mr Olympia veranstaltet.
Die Klassen
Eine Bemerkung vorab: In diesem Artikel geht er zunächst einmal nur um die Männerklassen. Ich kenne mich in den Frauenklassen zu wenig aus und könnte mich zwar einlesen, aber um etwas wirklich gut erklären zu können, reicht angelesenes Wissen meiner Meinung nach nicht aus. Außerdem würde der Artikel ansonsten noch länger werden als er sowieso schon ist. Da diese aber natürlich ebenfalls repräsentiert werden sollen, wird es einen zweiten Artikel geben, in dem die Frauenklassen und deren Wertungskriterien erläutert werden. Dafür hole ich mir dann aber Hilfe von einer Kollegin, die sich in dem Thema auskennt wie kaum eine andere.
Ebenfalls anzumerken ist, dass ich in diesem Abschnitt nur die allgemein bekannten, und bei allen größeren Verbänden vertretenen Klassen behandeln werde. Einige kleinere Verbände listen noch zusätzliche Klassen wie z.B. die Kategorie Sports Model auf. Da diese aber in der Öffentlichkeit kaum Relevanz besitzen, nur in wenigen Fällen anerkannt werden und zudem mit dem eigentlichen Bodybuilding kaum noch etwas gemein haben, werde ich darauf verzichten diese zu besprechen.
Men´s Physique
Auch wenn die Men´s Physique (MP) prinzipiell keine Bodybuilding-Klasse im eigentlichen Sinn darstellt, so findet man diese doch bei allen bekannten Verbänden, sie ist auf den großen Events vertreten und man kann in dieser Kategorie eine Pro-Card gewinnen, weshalb man sie doch zumindest erwähnen sollte. Außerdem stellt die MP für viele so etwas wie die Einstiegsklasse für den ersten Auftritt auf einer Wettkampf-Bühne dar. Auch deshalb ist die MP, was die Anzahl der Teilnehmer angeht, recht populär und regelmäßig die Klasse mit der höchsten Anzahl an Athleten auf den Wettkämpfen.
Die MP entscheidet sich dabei in mehreren Punkten von den eigentlichen Bodybuilding-Klassen. So tragen die Teilnehmer statt der sonst üblichen Posingslips Board shorts bzw. Badehosen, die die Oberschenkel bis fast zum Knie bedecken. Eine ausgeprägte Beinmuskulatur, wie in den anderen Klassen gefordert, ist also nicht notwendig. Außerdem werden in der MP-Klasse keine klassischen Bodybuilding-Posen ausgeführt und explizites Anspannen der Muskulatur ist nicht gefragt bzw. sogar untersagt (wobei natürlich trotzdem angespannt wird, nur soll es eben nicht auffallen). Statt der klassischen Posen gibt es im Prinzip nur eine Front, eine Rücken- und eine Seitpose (diese allerdings von beiden Seiten), bei denen jeweils eine Hand auf die Hüfte gelegt und der andere Arm leicht abgespreizt wird.
Die Pflichtposen der Men’s Physique-Klasse
Auch die Wertungskriterien unterscheiden sich von den anderen Klassen. Gefragt ist ausdrücklich nicht eine besonders ausgeprägte Muskulatur und Härte (laut Reglement wird sogar abgewertet wenn ein Athlet zu massiv oder definiert ist), sondern der Fokus liegt klar auf Symmetrie, Ästhetik und Ausstrahlung. Strukturell besonders wichtig in dieser Klasse sind gut ausgeprägte und symmetrische Bauchmuskeln, eine schmale Taille, wohlgeformte aber nicht zu muskulöse Arme und Schultern sowie ein V-förmiger Rücken. Neben diesen rein körperlichen Merkmalen, fließen aber auch Faktoren wie das Gesicht, die Frisur und die Anmut der Bewegungen in die Wertung ein.
Das ist auch einer der Gründe, warum die MP oftmals kritisiert wird. Schon die Wertungskriterien in den anderen Klassen haben einen gewissen Auslegungsspielraum, lassen sich aber meist zumindest nachvollziehbar begründen. In der CP sind die Kriterien allerdings so schwammig formuliert, dass die Wertungen noch deutlich subjektiver ausfallen. So sollen die Athleten ja, wie bereits beschrieben, bewusst nicht besonders muskulös sein, trotzdem wir der Sieg des Öfteren einfach dem massivsten Teilnehmer zugesprochen. Und inwiefern Faktoren wie Frisur und besonders Ausstrahlung überhaupt einheitlich bewertet werden können, bleibt fraglich.
Kleiner fun fact am Rande: Obwohl die Teilnehmer der MP in Sachen Muskelmasse deutlich unter den Athleten der Classic Physique und besonders der Men´s Open angesiedelt sind bzw. sein sollen, hatte die Klasse bis vor kurzem kein Gewichtslimit bei den IFBB Pros und hat in den meisten anderen Verbänden nach wie vor keines. Das hat dazu geführt, dass die Athleten über die Jahr immer massive wurden und zuletzt waren einige Teilnehmer so schwer, dass sie bei einem Wechsel in die Classic Physique nicht mehr ins Gewichtslimit gepasst hätten. Erst seit diesem Jahr gilt für die MP-Teil ein Limit in Sachen Körpergewicht.
Classic Physique
Als Reaktion auf die Entwicklung in der offenen Klasse, dass die Teilnehmer immer massiver wurden, was von vielen Zuschauern und ganz besonders von Außenstehenden als zunehmend unästhetisch und grotesk angesehen wurde, führte die IFBB 2016 die Classic Physique-Division ein. Diese Klassen wurde binnen kürzester Zeit von nahezu allen relevanten Verbänden übernommen. Ziel war es, eine Klasse zu schaffen, deren Teilnehmer in Sachen Körperbau wieder eher dem allgemeinen Schönheitsideal entsprechen, weniger freakig und “realistischer” sind. Als Vorbild dienen hier die Körper der Athleten der Golden Era, also der 60er und 70er-Jahre (Arnold, Frank Zane & Co). Um das zu gewährleisten, gilt in der CP ein Gewichtslimit, das´, anders als in den anderen Klasssen, von der Körpergröße des Athleten abhängt. Dieses Ziel kann auch durchaus als erreicht betrachtet werden, denn die Classic Physique erfreute sich von Anfang an großer Beliebtheit und wird Jahr für Jahr sogar noch populärer. Der amtierende Champion Chris Bumstead, auch bekannt als Cbum, ist aktuell sogar der bekannteste und beliebteste Bodybuilder überhaupt, mit über 19 Mio. Followern auf Instagram.
Allerdings hat es einige Jahre gedauert, bis sich wirklich herauskristallisiert hat, was die Judges überhaupt sehen wollen. Wenn man beispielsweise den Körper des ersten Mr. Olympia in der CP, Danny Hesters mit dem von Chris Bumstead vergleicht, so besteht hier ein gewaltiger Unterschied. Doch so langsam verfestigt sich die Vorstellung des idealen Men´s Physique-Athleten. Besonders erstrebenswert gelten hier die schmale Taille, ausladende Quads, einen voluminösen Brustkorb, sowie breite Schultern und eine V-förmiger Rücken. Chris Bumstead, Urs Kalecinski und Terrence Ruffin verkörpern diese Ideale schon sehr gut, wenn auch mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen. In Sachen Härte war ursprünglich mal angedacht, dass man den Teilnehmern zugesteht, zu Gunsten der Ästhetik etwas weniger trocken anzutreten als in den anderen Klassen. Diese Vorgabe hat sich aber de facto inzwischen erledigt und die Athleten sind teilweise mindestens genauso hart, wenn nicht sogar härter als in der offenen Klasse.
Auch in der CP wird kein herkömmlicher Posingslip getragen. In den ersten Jahren trugen die Teilnehmer noch Hosen, die man am ehesten als enganliegender schwarze Shorts bezeichnen konnte. Inzwischen sind diese aber deutlich knapper geschnitten und erinnern an die Posingslips der Bodybuilder aus der Golden Era. Nach wie vor sind die Slips in der CP einheitlich schwarz.
Ein weiterer Unterschied zur offenen Klasse ist die Bedeutung des Posings für die Athleten. Während die Posing-Küren bei den schweren Jungs seit Anfang dieses Jahrtausends in den meisten Fällen nur als uninspiriertes Abspulen einiger Pflicht- und Pressposen bezeichnet werden kann, sind in der CP noch ausgefeilte und elegante Routinen zu sehen und fließen auch in die Wertung ein. Ein wahrer Meister in Sachen Posing ist z.B. Terrence Ruffin, wie hier schön zu sehen ist:
Eine von Terrence Ruffin’s grandiosen Posing-Küren
Auch was die Pflichtposen angeht, gibt es Unterschiede zu den anderen Bodybuilding-Klassen. So gibt es in der Classic Physique nur 4 Pflichtposen statt 8 wie in den anderen Klassen. Hinzu kommt eine frei wählbare Classic Pose. Die Pflichtposen bestehen dabei aus den Doppelbizeps-Posen von vorne und hinten, der seitlichen Brustpose und der Bauch und Beine-Pose, wobei Letztere gerne auch mit einer sogenannten Vakuum-Pose (Bauch wird dabei möglichst stark eingezogen), statt mit angespannten Bauchmuskeln ausgeführt wird. Es obliegt dem Athleten, welche Classic Pose er ausführen möchte. Grundsätzlich gibt es hier keine Vorgaben, außer dass es nicht nochmal eine der Pflichtposen sein sollte, und es ist auch etwas Kreativität gefragt. Die Teilnehmer können theoretisch hier auch eine selbstkreierte Pose zeigen, meist werden jedoch typischen Posen aus der Golfen Era präsentiert. Hier mal ein paar Beispiele:
212 Klasse
Die 212er-Klasse trägt ihren Namen, weil hier ein fixes Gewichtslimit von 212 Pfund (ca. 96 Kilogramm) vorgegeben ist. Deshalb könnte man erwarten, dass die Teilnehmer im Schnitt weniger muskulös als die Bodybuilder der offenen Klasse sind. Bis zu einem gewissen Maß stimmt das auch, allerdings treten in der 212 beinahe ausschließlich recht kleingewachsene Athleten an. Der amtierende Champion in dieser Klasse, Shaun Clarida, ist sogar nur 1,57 m groß. Kein Wunder also, dass dieser kein Problem hat das Gewichtslimit einzuhalten, auch ohne sich in Sachen Muskelzuwachs einschränken zu müssen. Die Teilnehmer der 212 sind folglich allesamt vollgepackt mit Muskelmasse und dazu meist auch noch staubtrocken. Auch wenn es sich um kleine Bodybuilder handelt, so bezieht sich das “klein” in diesem Fall lediglich auf die Körpergröße und kaum auf die Muskelmasse. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass einige 212-Bodybuilder hin und wieder auch in der offenen Klasse antreten und das teilweise mit großem Erfolg. Mit Hadi Choopan und Derek Lunsford belegten beim Mr. Olympia 2022 und 2023 sogar zwei ehemalige 212-Athleten die beiden ersten Plätze. D
Da sich die 212er-Klasse in Sachen Reglement ansonsten nicht von der offenen Klasse unterscheidet, gehe ich hier nicht noch detaillierter auf diese ein.
Shaun Clarida, Kamal Elgargni und Angel Calderon gehören zu den besten 212-Athleten
Men’s Open
Auch wenn die Classic Physique zunehmend an Bedeutung gewinnt, die Men’s Open ist und bleibt die Königsklasse im Bodybuilding und für einige Hardcore-Fans sogar die einzig relevante Klasse. Streng genommen darf sich auch nur der Sieger der Men’s Open als Mr. Olympia bezeichnen, was die Sieger der anderen Klassen aber nicht davon abhält, es trotzdem zu tun. Wenn man wissen will, wie muskulös ein Mensch überhaupt werden kann, dann kriegt man hier ein paar gute Beispiele zu sehen. Das “offen” bezieht sich her auch wenig überraschend auf das nicht vorhandene Gewichtslimit, die Teilnehmer dürfen also so schwer sein wie sie wollen, manche Athleten stehen gar mit bis zu 300 Pfund (rund 136 Kg) auf der Bühne. Wobei anzumerken ist, dass es auch in der Men´s Open, anders als Laien manchmal glauben, nicht nur darum geht wer die meisten Muskeln hat. Dazu später noch mehr.
Wie auch in der 212 tragen die Bodybuilder in der offenen Klasse die typischen knappen Posingslips, die kaum etwas verbergen. Echte Strings sind zwar nicht erlaubt, allerdings ziehen einige Teilnehmer die Slips auf der Rückseite gerne nochmal zur Seite, um mehr vom Gluteus zu zeigen.
Die Posen
In den Bodybuilding-Klassen gibt es, unabhängig vom Verband, 8 Pflichtposen, die gezeigt werden müssen und anhand derer die einzelnen Kandidaten bewertet werden. Streng genommen kommen noch 3 weitere Symmetrie-Posen hinzu, auf dieses werden wir später nochmal darauf zurückkommen. Wie im Bodybuilding üblich, werde ich übrigens die englischen Namen der Posen verwenden.
Front relaxed (Grundpose)
Auch wenn der Name etwas anderes suggeriert, bei der Front relaxed ist man definitiv nicht relaxed! Es handelt sich um eine Pose, die vor Beginn der eigentlichen Posingrunde sowie immer dann, wenn man nicht direkt gefordert ist eingenommen wird. Im Prinzip wird bereits hier die gesamte Front sowie die Grundstruktur zur Schau gestellt.
Der “King” Ronnie Coleman in der Front Relaxed
Front Double Biceps
Bei der FDB wird erneut die gesamte Muskulatur der Vorderseite präsentiert, mit besonderem Fokus auf die Arme. Neben dem Bizeps ist auch ein gut ausgeprägter Trizeps, ein ausladender Latissimus und gute Beinmuskulatur erforderlich, um in dieser Pose buchstäblich eine gute Figur abzugeben.
Roelly Winklaar’s Gun Show
Front Lat Spread
Beim Front Lat Spread geht es darum, die Struktur bzw. den X-Frame zu betonen. Wenn ein Athlet schwache Latissimus oder eine blockige Mittelpartie hat, wird dies in dieser Pose gnadenlos offenbart. Ganz anders sieht es aus, wenn z.B. ein Cbum mit seiner schmalen Taille und den ausladenden Lats diese Pose zieht (die in der Classic Physique aber keine Pflichtpose ist). Im Idealfall ist bei dieser Pose nahezu keine Lücke zwischen den Armen und dem Latissimus zu sehen.
Cbum zeigt seinen einmaligen Front Lat Spread
Side Chest
Neben der Brust werden bei dieser Pose auch die Arme, hier insbesondere der Bizeps, die Schultern und die Beine, hier insbesondere der Beinbeuger, und der Gluteus präsentiert.
Big Ramy in der Side Chest Pose
Side Triceps
Ebenfalls eine Seitpose, bei der allerdings der Trizeps bei getrecktem Arm gegen den Körper gepresst wird, um diesen voll zur Geltung zu bringen. Da dadurch der Bauch nicht vom Arm verdeckt wird, liegt hier mehr Fokus auf der Mittelpartie als bei der Side chest und die Pose ist insgesamt ästhetischer. Neben der klassischen seitlichen Ausrichtung wählen manche Athleten auch eine Ausführung, bei der der Körper insgesamt mehr in Richtung des Publikums gedreht wird. Besonders wenn der ausführende weniger stark im Bereich der Arme, dafür insgesamt optisch gefälliger ist, weil z.B. die Bauchmuskulatur besonders gut ausgeprägt ist.
Phil Heath und Shawn Rhoden zeigen unterschiedliche Qualitäten in dieser Pose
Back Lat Spread
Der Back Lat Spread ist eine der beiden Rückenposen und dient besonders dazu, die Breite des Rückens zur Schau zu stellen. Bei beiden Rückenposen ist aber auch die Form der Athleten gut zu erkennen, weil Gluteus und Beinbeuger in der Regel als letztes frei werden. Deshalb wird hier auch großes Augenmerk auf den Unterkörper gelegt.
Auch wenn es nicht seine stärkste Pose war, auch Phil Heath’s Lat Spread war beeindruckend
Back Double Biceps
Die BDB ist in Sachen Wertung die vielleicht wichtigste Pose überhaupt. Hier werden nicht nur die Arme und die Rückenbreite präsentiert, sondern vor allem kommt erst in dieser Pose die Rückendichte voll zur Geltung, also die Tiefe und die Details im Rücken. Hier trennt sich dann meist die Spreu vom Weizen, denn in all diesen Bereichen sind nur die Besten gleichermaßen gut. Und natürlich ist hier anhand des unteren Rückens und des UK sehr gut zu erkennen, ob ein Athlet wirklich trocken ist. Unter anderem deshalb heißt es auch “Shows are won from the back”
Derek Lunsford’s Back Double Biceps dürfte aktuell die beste im Game sein
Abs & Tighs
Diese Pose ist mit Sicherheit die ästhetischste unter den Pflichtposen, weshalb “schöne” Athleten hier auch klar im Vorteil sind. Wie der Name schon sagt, dient sie dazu den Bauch, insbesondere die Abs und die Beine bzw. die Quads zu beurteilen. Wie auch beim Front Lat Spread ist es auch hier von Vorteil, eine schmale Taille und ausladende Lats zu haben, um nicht wie ein Block zu wirken. Bei dieser Pose gibt es auch den größten Spielraum an Variationen. So kann sie mit beiden Beinen parallel, einem Bein vorgestreckt, seitlich eingedreht (um die Obliques zu zeigen), mit einer Hand an der Hüfte oder als Vakuum-pose ausgeführt werden.
Nicht nur die beste aktuell, sondern mit die beste Abs & Tighs überhaupt ist die von Andrew Jacked
Most Mucular
Die Posingrunden werden in der Regel mit der Most Muscular-Pose abgeschlossen. Wie man sich beim Namen bereits denken kann, geht es bei dieser Pose darum, möglichst viele Muskeln gleichzeitig möglichst effektiv zur Schau zu stellen. Wie auch bei der Abs & Tighs gibt es auch hier mehrere erlaubte Varianten. Je nach Körpertyp eignen sich diese besser oder schlechter für bestimmte Athleten. Eher ästhethische Bodybuilder mit ansprechender Linie wählen meiste eine Hand on Hips Variante bei der man recht aufrecht steht und eine oder beide Hände an der Hüfte anlegt. Athleten mit guten Armen und Schultern tendieren hingegen eher zu einer Crab-Pose, bei der man sich nach vorne lehnt und die Arme angewinkelt vor dem Körper anspannt. Auch gerne genommen wird die Hands clasped-Variante bei der man aufrecht steht und die Arme am Körper anliegend zusammenpresst. Ziel der Most Muscular sollte jedenfalls sein, nochmal die Stärken des Ausführenden zu betonen und dabei möglichst freaky auszusehen. Hier geht es um den Wow-Faktor.
Brandon Curry, Big Ramy und Hadi Choopan zeigen 3 Varianten der Most Muscular
Ablauf eines Wettkampfes
Pre-Judging
Am Anfang einer Bodybuilding Show erfolgt erstmal die Vorstellung der einzelnen Teilnehmer im Rahmen einer Einzelpräsentation. Bei Amateurshow bedeutet das in der Regel, dass jeder Teilnehmer ein, zwei Posen seiner Wahl zeigt und dann zurück ins Lineup tritt. Bei Pro-Shows und größeren Events kann die Vorstellung aber auch als verkürzte Kür erfolgen, bei der jeder Athlet eine Minute Zeit erhält um ein paar Pflichtposen zu präsentieren.
Nach der Einzelpräsentation folgen die ersten Vergleiche. Hierzu werden alle Teilnehmer in numerischer Reihenfolge in einer Linie aufgestellt. Je nach Anzahl der Teilnehmer werden diese hierfür oft in Gruppen eingeteilt, um nicht zu viele Athleten vergleichen zu müssen und damit jedem ausreichend Platz für seine Posen zur Verfügung steht. Die Vergleiche beginnen zunächst mit der Symmetrierunde, bei der die Kandidaten in Vierteldrehungen nach rechts einmal um die eigene Achse gedreht werden, um alle Seiten begutachten zu können. Hier geht es darum zu bewerten, ob die Athleten von allen 4 Seiten gleichmäßig entwickelt sind.
Nachdem die Drehung vollständig absolviert wurde, werden die Pflichtposen durchgegangen. Es gibt hier keine zwingend vorgeschriebene Reihenfolge aber in aller Regel wird mit der Front double Biceps begonnen und mit der Most Muscular geendet. Die typische Reihenfolge entspricht der Reihenfolge beim Punkt “Pflichtposen”, wobei speziell die beiden Seit- und Rückenposen auch gerne getauscht werden.
Wenn alle Teilnehmer eine Posingrunde abgeschlossen haben, geht es in die Call outs.
Hier lässt sich auch recht schnell erkennen, wer in etwas wo platziert wird. So gehört der First Callout den späteren Finalisten bzw. den Teilnehmern, die später die vorderen Plätze belegen werden. In den Callouts können die Judges auch nach Belieben die Positionen der Teilnehmer tauschen, um bestimmte Athleten besser miteinander vergleichen zu können. Auch hieraus lässt sich ableiten, wie diese abschneiden werden. Wird ein Athlet in die Mitte des Callouts gestellt, kann man fast davon ausgehen dass es für diesen um den Sieg bzw. um die beste Platzierung des jeweiligen Callouts geht. Umgekehrt verhält es sich, wenn die Judges einen Teilnehmer nach außen rotieren.
Nach dem ersten folgt der zweite Callout, dann der Dritte usw. wobei es bei diesen dann nicht mehr um die vorderen Platzierungen geht. Es werden nicht immer alle Kandidaten überhaupt ins Callouts gerufen, speziell bei kleinere Events belassen es die Judges oft bei nur ein oder zwei Callouts.
Während den Callouts werden hin und wieder auch Athleten herausgenommen oder hinzugefügt. Dies passiert in der Regel, wenn die Jury sich nicht ganz sicher ist, was die hinteren Plätze des jeweiligen Callouts angeht.
Nach diesen Callouts folgen oft noch speziellere, meist kleinere Callouts mit weniger Teilnehmern. Hier werden dann die Kandidaten verglichen zwischen denen es besonders eng ist und es geht dann entweder um den Sieg oder um z.B. die letzten Plätze in der Finalrunde.
Finals
Die besten Athleten (meist zwischen 6 und 10 aus dem Feld) messen sich im Finale nochmal miteinander. Bei Amateurshows finden Prejudging und Finals oft direkt nacheinander statt, während bei Pro-Shows Pausen üblich sind und oft nicht einmal am selben Tag stattfinden.
Prinzipiell ist der Ablauf bei den Finals der selbe wie beim Prejudging und in der Regel gehen diese auch schneller als zuvor, weil die Jury bereits einen Eindruck der Teilnehmer bekommen hat und es nur noch um die exakten Platzierungen geht. Zumindest sofern sich die Form der Athleten nicht gravieren verändert hat, was aber durchaus passieren kann.
Nach den Vergleichen folgen zum Abschluss noch die Küren der Finalisten. Auch hier gibt es unterschiede zwischen vielen Amateur- und den Profiverbänden. So ist die Kür bei vielen Amateurverbänden freiwillig (außer bei der Classic Physique, wo sie Teil der Wertung ist), bei den Pros hingegen Pflicht. Kür bedeutet, dass die Athleten zu selbst gewählter Musik eine individuelle Posing-Routine aufführen, bei der es in Sachen Posen keine Vorgaben gibt.
Nachdem Vergleiche, Callouts und Küren abgeschlossen sind, folgt als Abschluss noch das Posedown, das hauptsächlich der Unterhaltung der Zuschauer dient. Die Musik wird aufgedreht und die Athleten können für ein paar Minuten posen wie sie wollen und dabei den ganzen Raum der Bühne und manchmal auch des Zuschauerraums nutzen.
Und wenn auch das vorbei ist, kommt es schließlich zur Siegerehrung.
Beispiele für den Ablauf beim Mr. Olympia findet ihr hier und hier.
Wertungskriterien
Kommen wir nun zum vermutlich interessantesten Teil dieser Ausführungen, den Wertungskriterien. Oder anders formuliert: worauf muss man achten um zu bestimmen, wer wie platziert wird?
Struktur
Grundsätzlich ist die Struktur keine offizielle Wertungskategorie. Aber da im Bodybuilding ein bestimmtes Ideal angestrebt wird, ist es unerlässlich die Körperstruktur des Athleten zu berücksichtigen. Bis zu einem gewissen Maß könnte man diese Kategorie auch mit “Ästhetik” überschreiben, da Körpertypen, die diesem Ideal entsprechen, allgemein als ästhetisch und “schön” empfunden werden. Über viele Jahre hinweg war dieses Kriterium eher untergeordneter Natur und wurde bei der Wertung kaum berücksichtigt. Aber inzwischen geht der Trend im Bodybuilding wieder ein wenig weg von den Massemonstern und hin zu einer eher klassischen Linie, wie sie in den 60er bis 80er Jahren die Regel war.
Generell wird im Bodybuilding eine X-Form angestrebt. Diese bildet sich aus möglichst breiten Schultern, einer möglichst schmalen Taille und weiten, ausladenden Oberschenkeln. In der Classic Physique ist diese Linie unerlässlich, im Open Bodybuilding ein großer Vorteil. Neben diesem Faktor, der eher durch den Knochenbau vorgegeben wird, zählen auch die Muskelformen zu den genetisch bedingten Voraussetzungen, die nur bedingt durch Training beeinflussbar sind. Ideal sind möglichst runde und pralle Muskeln, z.B. ein voller, kugelförmiger Bizeps oder Quads, die nach außen geschwungen sind. Bei einigen Athleten sind diese Muskeln zwar grundsätzlich gut ausgeprägt, weisen aber einfach keine schöne Form auf und wirken deshalb weniger eindrucksvoll.
Ebenfalls genetisch bedingt und an der Gesamtsilhouette beteiligt sind die Ansätze des Latissimus. Im Optimalfall setzen diese möglichst weit unten, knapp über der Hüfte an, während sie bei anderen eher direkt unter den Schulterblättern enden, was es schwer macht, in Lat-Posen dominant zu erscheinen und auch bei Posen wie der Doppelbizeps von vorne und der Abs & Tighs tragen die Latansätze zur Gesamterscheinung erheblich bei.
Niemand hat eine bessere Struktur für´s Bodybuilding als Keone Pearson
Masse
Eigentlich sollte diese Kategorie selbsterklärend sein. Je massiver ein Athlet ist, desto besser. Was viele Laien aber missverstehen ist, dass Masse nicht das wichtigste Wertungskriterium in diesem Sport darstellt. Wenn zwei Teilnehmer ansonsten auf dem gleichen Niveau sind, wird natürlich derjenige gewinnen, der die meisten Muskeln hat. Wenn allerdings z.B. die Härte einfach nicht ausreicht, werden auch die dicksten Arme und die gewaltigste Brust nicht ausreichen um den Sieg auf der Bühne zu erringen. In diesem Zusammenhang gilt es anzumerken, dass besonders muskelbepackte Athleten oft Probleme haben, diese Masse auch wirklich trocken zu kommen. In diesem Fall kann es Sinn machen, für ein insgesamt besseres Ergebnis sogar bewusst Muskeln abzuwerfen. Ebenfalls kann es auch helfen Muskeln abzubauen, wenn ein Körperteil derart überentwickelt ist, dass er die optische Balance des Körpers stört. Ein gutes Beispiel für einige genannte Punkte ist Big Ramy, der quasi seit seinem Erscheinen in der IFBB als der massivste Bodybuilder im ganzen Feld, wenn nicht in der Geschichte gilt. Trotzdem konnte er den Titel erst erringen, als er zum ersten Mal richtig trocken kam und dafür darauf verzichtet hat, mit seinen sonst üblichen 300 pound (ca. 136 Kg) anzutreten. Auf der Bühne wirkte er dadurch aber eher noch beeindruckender als in den Jahren zuvor.
Neben der Masse an sich ist auch zu berücksichtigen, wie prall die Muskulatur eines Athleten ist. Oft hört man bei Bodybuilding-Shows ein Teilnehmer sei “flach” gewesen. Das bezieht sich auf den Ladevorgang von Bodybuildern, die vor einem Wettkampf große Mengen an Kohlenhydraten zuführen um durch das Füllen der Glykogenspeicher in der Muskulatur ein möglichst großes Volumen zu erreichen. Misslingt dies, führt das dazu dass Bodybuilder weniger prall bzw. “aufgeblasen” wirken als bei vorherigen Auftritten. Dies zu erkennen ist aber dann wirklich etwas für Experten und eigentlich nur möglich, wenn man den Athleten auch schon bei anderen Auftritten gesehen hat.
Big Ramy, der massivste Athlet unserer Zeit
Symmetrie
Eine andere Beschreibung für diese Kategorie, könnte auch “Ausgeglichenheit” lauten, denn es geht nicht nur darum, dass beide Körperhälften möglichst gleich gut entwickelt sein sollen, sondern auch Ober- und Unterkörper sowie Front- und Rückenansicht sollten auf dem gleichen Niveau sein. Auch der brachialste Oberkörper wird keinen Blumentopf gewinnen, wenn er nicht auf einem paar standesgemäßer Beinen ruht. Umgekehrt werden auch Quads wie ein T-Rex nichts reißen, wenn man auch dessen Armentwicklung aufweist. Deshalb sollte man bei der Bewertung von Bodybuildern nicht nur auf deren klare Stärken schauen und sich von diesen blenden lassen sondern kritisch prüfen, ob der Rest des Körpers gegenüber diesen mithalten kann. Gute, oder besser gesagt schlechte Beispiele wären hier z.B. Joel Stubbs, Johnny Jackson oder Paul Dillet. Während die beiden Erstgenannten großartige Oberkörper aufzuweisen hatten, fielen die Beine dagegen derart ab, dass es stark negativ auffiel und beiden größere Erfolge verwehrte. Dillet hingegen hatte sehr gute Beine und auch einen unfassbareren Oberkörper und sah von vorne wie ein potenzieller Mr. Olympia aus. Allerdings war der Rücken bei Weitem nicht auf dem Niveau der Front und da die Rückansicht bei wichtigen Shows als das entscheidende Kriterium gilt, wenn es um den Sieg geht, konnte auch Dillet sein gewaltiges Potenzial nie wirklich ausspielen.
Johnny Jackson’s Beine konnten nie mit dem massiven Oberkörper mithalten
Definition
In diesem Zusammenhang wird meist von “Härte” oder wie “trocken” ein Teilnehmer ist gesprochen. Gerade wenn es um die ganz großen Titel geht, ist die Definition vermutlich im modernen Bodybuilding sogar die wichtigste Kategorie bei den Wertungskriterien. Zwar geht der Trend in den letzten Jahren wieder dazu, Athleten mit insgesamt überragender Struktur und Volumen auch leichte Defizite in Sachen Form durchgehen zu lassen, größere Mängel in dieser Hinsicht sind aber nach wie vor unverzeihlich und führen zwingend zur Abwertung. Wenn man sieht, wie sehr der Wow-Faktor eines Bodybuilders auch vom Grad seiner Definition abhängt ist das auch kaum verwunderlich. Ein Missverständnis ist dabei oft, dass die Definition allein vom Körperfettanteil abhängt. Tatsächlich sind aber fast alle Athleten mehr oder minder fettfrei, wenn es um die renommiertesten Wettkämpfe geht. Lediglich an einigen hartnäckigen Stellen können sich noch minimale Depots befinden. Einen mindestens ebenso großen Einfluss auf die Optik hat deshalb bei Top-Profis das subkutane Wasser, dass diese halten. Durch Stress, übermäßiges Laden, erfolgloses Entwässern und zahlreiche andere Faktoren kann es vorkommen, dass Wettkämpfer einen Wasserfilm unter der Haut haben, der dann ebenfalls die Definition beeinträchtigt.
Laien tun sich oft schwer zu bestimmen, wie trocken ein Bodybuilder wirklich ist, sofern dieser die Form nicht komplett verpasst hat. Sie schauen meist nur auf den Grad an Vaskularität oder ob die Abs frei sind um die Definition zu ermitteln. Beides ist aber eher genetisch bedingt und Vaskularität ist meist ohnehin nur im Bereich der Arme wirklich sichtbar, die wiederum mit als erstes frei werden. Die Abs sind ebenfalls bereits recht früh freigelegt und je nachdem wie ausgeprägt die Bauchmuskulatur eines Athleten ist, kann dieser auch schon ein sehr gut definiertes Sixpack haben, und trotzdem nicht gut in Form sein.
Viel entscheidender ist deshalb die generelle Separation der einzelnen Muskelpartien, also ob z.B. Bizeps und Trizeps oder der Übergang zwischen Schulter und klar getrennt ist, der Grad an Details im Rücken, die tiefen Einschnitte in den Quads und Querstreifen auf Brust und Oberschenkeln. Ist all das vorhanden, so kann man davon ausgehen, dass der Athlet gut in Form ist. Um zu erkennen, wer wirklich der trockenste Teilnehmer im Feld ist, muss man seinen Blick allerdings auf Regionen richten, die für Bodybuilding-Laien eher weniger von Interesse sind, dafür aber bekanntlich besonders hartnäckig wenn es darum geht, Fett und Wasser zu halten. Diese befinden sich allesamt auf der Rückseite des Körpers. Konkret handelt es sich um den Gluteus, die Hamstrings (Beinbeuger) und der untere Rücken. Bei besonders definierten Athleten sind ist der Gluteus gestreift bzw. mit tiefen Furchen versehen, die Hamstrings zeigen verschiedene, klar getrennte Muskelstränge, statt einem einzigen größeren Muskel, der untere Rücken ist auch beim Zurücklehnen faltenfrei und die Rückenstrecker sind zu erkennen. Bevor ein Bodybuilder die Latspread-Pose (von hinten) einnimmt, zieht er zunächst die Ellbogen nach hinten. In diesem Moment ist die Definition des unteren Rückens besonders gut zu erkennen, weil sich der sogenannte Christmas-Tree bildet (so benannt, weil der untere Rücken in Abgrenzung zum Latissimus die Form eines Tannenbaums nachbildet). Ein paar Beispiele für besonders gute Definition zeige ich euch hier:
Eine der legendärsten Momente im Bodybuilding: Jay Cutler’s Quad Stomp 2009, bei dem er tiefste Cuts und Querstreifen auf dem Oberschenkel präsentierte
Sehr viel trockener wird’s nicht mehr
Es weihnachtet sehr
Präsentation
Zugegeben, das Kriterium der Präsentation nimmt längst nicht mehr den Stellenwert ein, den es während der Golden Era mal hatte. Und gerade das Posing, insbesondere die Küren, sind für viele Bodybuilder der offenen Klasse eher eine lästige Pflicht, die uninspiriert abgespult wird. In der Classic Physique ist das anders, aber in dieser Klasse fließen die Küren auch direkt in die Wertung ein. Ein gutes Beispiel, wie eine tolle Posingkür aussehen kann, habe ich mit der Routine von Terrence Ruffin ja bereits weiter oben in diesem Artikel eingefügt.
Trotzdem sollte auch die Präsentation nicht zu sehr vernachlässigt werden. Und Posing zu üben zahlt sich nach wie vor aus, kann dies doch letztlich das Zünglein an der Waage sein, wenn es knapp wird. Das gilt besonders, wenn nicht einmal die Grundposen effektiv ausgeführt werden können und so unnötig Potenzial auf der Strecke bleibt. Die Grundposen dienen schließlich dazu, jeweils bestimmte Muskelpartien besonders in den Fokus zu rücken. Wenn dann beispielweise der Rücken nicht auf maximale Weite aufgespannt, die Bauchmuskeln nicht voll geflext oder die Beine in einen ungünstigen Winkel positioniert werden, dann schadet das der Optik und damit auch der Platzierung.
Außerdem ist Posing auch wesentlich anstrengender als man meinen könnte, besonders unter dem heißen Bühnenlicht. Das kann dazu führen, dass Athleten anfangen zu zittern oder sehr stark zu schwitzen. Beides ist suboptimal, denn das Posing soll idealerweise entspannt und natürlich aussehen. Zudem kann durch das Schwitzen auch das Tanning verlaufen, also die dunkle Farbe, die Bodybuilder vor einem Auftritt auftragen, um alle Details gut sichtbar zu machen und nicht vom grellen Licht “ausgewaschen” zu werden. Beispiele dafür, wie schlechtes Posing den Athleten schaden kann wären Michael “Krizo” Krizanek und (erneut) Paul Dillet, die beide ihre Posen sowohl suboptimal stellen, als auch bei der Ausführung zum Zittern neigen, wobei Krizo dahingehend Verbsserungen erkennen lässt.
Ebenfalls zur Präsentation gehört die Ausstrahlung. Ein Athlet sollte auf der Bühne selbstsicher und motiviert wirken, so als hätte er richtig Spaß an der Sache. Ein Lächeln auf dem Gewicht strahlt genau das aus, auch kleinere Interaktionen mit dem Publikum werden gerne gesehen, sofern man es nicht übertreibt.
Was ebenfalls einen nicht zu unterschätzenden Faktor darstellt, ist die Positionierung auf der Bühne und wie man seinen Platz behauptet. Die Athleten werden auf einer aufgezeichneten Linie aufgestellt, allerdings neigen erfahrene Bodybuilder dazu, sich ein wenig nach vorne zu mogeln, um besser sichtbar zu werden und größer zu wirken. Bei einigen Posen wie der Front und Back Double Biceps kann es sein, dass der Platz nicht ausreicht um sich voll ausbreiten zu können. In diesem Fall wird man als Wettkämpfer stets versuchen, sich den Platz zu nehmen, indem man beispielsweise seine Arme vor denen des Nachbarn positioniert. Wer hier zurücksteckt, verschenkt unnötig Punkte.
Abschließende Worte
Damit beschließen wir diese Einführung ins Bodybuilding. Natürlich wird niemand durch diesen Artikel vom absoluten Laien zum Bodybuilding-Experten. Dazu gehört, wie bei fast allen Sportarten und insbesondere bei denen, denen ein derart subjektives Wertungssystem zu Grunde liegt, einiges an Erfahrung und ein geschultes Auge. Aber ich hoffe ich konnte damit dem einen oder anderen zumindest den Einstieg etwas erleichtern und näherbringen, wie die Wettkämpfe im Bodybuilding so ablaufen und worauf man achten muss um zu erkennen, warum wer auf welchem Platz landet. Und sollte das dazu beitragen, dass dieser Sport dadurch auf längere Sicht auch nur einen interessierten Zuschauer gewinnen konnte, dann bin ich mehr als zufrieden.
Aber seid gewarnt, selbst ich der diesen Sport nun schon eine ganze Weile verfolgt bin manchmal gelinde gesagt verwundert, um nicht zu sagen schockiert, wenn ich sehe, dass ein eigentlich deutlich schlechterer Athlet vor einem objektiv klar besseren positioniert wird. Denn wie auch im Boxen beispielsweise, ist Bodybuilding berüchtigt für Entscheidungen, die politisch oder durch Marketing motiviert sind, so traurig das ist. Aber zumindest könnt ihr euch dann zusammen mit den anderen Fans darüber aufregen, auch das wird immer Bestandteil dieses Sports sein.
In diesem Sinne, viel Spaß bei Diskutieren, Ergebnisse tippen, fachsimpeln und Haare raufen!
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