Mouth Taping (nicht nur) für Sportler – bringt das was?
von Ulrike Hacker
Immer wenn man denkt, die Gesundheitsbranche hätte nun endgültig den Zenit der Verrücktheit überschritten, kommt ein neuer Trend um die Ecke, der uns diesbezüglich Lügen straft. Der neuste Hype: Mouth Taping. Darauf schwören nicht nur immer mehr TikToker, sondern auch Spitzensportler. Aber bringt das wirklich was?
Was ist Mouth Taping?
Beim Mouth Taping geht es schlicht darum, den Mund zum Schlafen so zu verkleben, dass eine Nasenatmung erzwungen wird. Hierzu gibt es mittlerweile diverse Spezialpflaster auf dem Markt. Die Anwendung ist denkbar einfach: Von einem kurzen Hautverträglichkeitstest abgesehen muss der Anwender nichts anderes tun, als das Tape vor dem Zubettgehen aufzukleben – und die mannigfaltigen Vorteile der Methode auf sich zukommen zu lassen.
Das soll Mouth Taping bringen
„Schlank im Schlaf“ war gestern. Mouth Taping soll über Nacht ein ganzes Feuerwerk an gesundheitlichen Vorteilen entzünden. Hier eine kleine Auswahl:
- Abhilfe bei Schlafstörungen und generelle Verbesserung der Schlafqualität
- Verringerung von Bluthochdruck
- Vorbeugung und Bekämpfung von Asthma
- Abhilfe bei Allergien (z.B. Hausstaub, Pollen)
- Verhinderung von Schnarchen
- Vorbeugung von Mundgeruch
- Reduzierung von Infektanfälligkeit
- Verbesserte Zahngesundheit
- Therapie bei Depressionen, Angststörungen und anderen psychischen Leiden
- Kosmetische Verbesserung der „Jaw Line“
- Intensivere und angenehmere Träume
Und das Beste: Angeblich stellen sich die Effekte schon ab der ersten Nacht ein!
Nasenatmung: Das Prinzip hinter dem Mouth Taping
Die meisten Menschen neigen dazu, im Schlaf mit offenem Mund zu atmen. Dies wird durch das Mouth Taping verhindert und die Nasenatmung bleibt unausweichlich.
Die Nasen- ist der Mundatmung tagsüber wie nachts haushoch überlegen. Ein Grund: Die Luft wird in der Nase und in den Nebenhöhlen bereits erwärmt, angefeuchtet und u.a. durch die Nasenhaare und Immunzellen in der Schleimhaut vorgefiltert. Beim Atmen durch den Mund dringt kalte und keimbelastete Luft direkt in die Lungen, wodurch sich die Anfälligkeit für z.B. Erkältungskrankheiten und allergische Reaktionen erhöht.
Bei der Nasenatmung wird zudem Stickstoffmonoxid in den Nebenhöhlen gebildet und mit dem Einatmen in die Lungen transportiert. Das Gas weitet die Blutgefäße und führt zu einer verbesserten Sauerstoffaufnahme des Blutes. Hieraus folgt eine bessere Versorgung aller Organe und Gewebe mit Sauerstoff.
Die Mundatmung auf der anderen Seite führt unter anderem zu, wie jeder schon einmal am eigenen Leibe erfahren haben dürfte, ausgetrockneten Mundschleimhäuten, wodurch z.B. die Anfälligkeit für Karies und Zahnfleischentzündungen steigt. Insgesamt wird die Atmung hektischer und flacher, was sich negativ auf das Wohlbefinden und das Zentralnervensystem auswirkt.
Was bringt Mouth Taping für Sportler?
Auch Sportler diverser Disziplinen schwören auf Mouth Taping. Dabei gibt es sogar einige Athleten, die sich während des Trainings den Mund zukleben. Die klassische Variante im Schlaf ist unter Sportstars aber auch en vogue, unter ihren Anhängern findet sich zum Beispiel der norwegische Stürmer Erling Haaland.
Es liegt auf der Hand: Guter Schlaf ist insbesondere für Leistungssportler mit einem hohen Trainingspensum essenziell. Wenn Mouth Taping die Regeneration während der Nacht verbessern kann, verhilft es den Athleten zu einer besseren Wiederherstellung ihrer Kapazitäten und kann auch zur Verletzungsprophylaxe beitragen.
Nasenatmung soll zudem das Zentralnervensystem beruhigen und auch auf diesem Wege zu verbesserter Regeneration beitragen.
Natürlich ist auch die angesprochene verbesserte Sauerstoffversorgung des Körpers von großer Wichtigkeit. Sie verhilft insbesondere bei aeroben Belastungen im Ausdauersport zu einer effizienteren Ressourcennutzung.
Es gibt sogar Wissenschaftler, die von der verbesserten Durchblutung des Gehirns während der Nasenatmung auf eine erhöhte Lernbereitschaft des Körpers auch im motorischen Bereich schließen, was eventuell beim Erlernen komplexerer Bewegungsmuster vorteilhaft sein könnte.
Wundermittel Mouth Taping – zu schön, um wahr zu sein?
Mouth Taping klingt auf den ersten Blick tatsächlich brillant. Aber wie fundiert ist das alles wirklich?
Der aktuelle Forschungsstand bietet ein bislang uneindeutiges Bild mit Tendenzen zu echten Vorzügen des Mouth Tapings. Die Vorteile der Nasenatmung wie die verbesserte Sauerstoffsättigung lassen sich ad hoc messen und gelten als bestätigt. Auch in länger angelegten Studien mit professionellen Ausdauerathleten, die im Training auf die nasale Atmung umstellten, zeigten sich langfristige positive Anpassungen. Die spezifischen Effekte vom Mouth Taping im Schlaf sind jedoch bislang weder für Athleten noch für alle anderen Anwender hinreichend erforscht, wohl auch, weil das Forschungsdesign hier ungleich komplizierter und fehleranfälliger wäre.
Dass ein Klebestreifen ernsthafte, chronische Leiden wie Asthma oder gar Depressionen in einer Nacht nicht heilen kann, sollte sich von selbst verstehen. Dass er gemeinsam mit begleitenden Therapien und einer ordentlichen Portion Placebo zu Verbesserungen beitragen kann, darf ihm aber auch zugestanden werden.
Übrigens: Die Hoffnung auf die begehrte Jaw Line durch Mouth Taping rührt von Studien, die tatsächlich zeigen, dass die Mundatmung die Gesichtszüge verändert. Sie kann u.a. zu einem fliehenden Kinn und Überbiss führen. Allerdings sind solche Erkenntnisse an Kindern gewonnen worden. Dass sich die Gesichtsknochen auch noch im Erwachsenalter durch die Atmung verformen lassen, erscheint nicht sehr wahrscheinlich.
Kann Mouth Taping auch gefährlich sein?
Der ein oder andere mag beim Gedanken an einen zugeklebten Mund im bewusstlosen Zustand des Schlafes Beklemmungen empfinden. Besteht da nicht eine Erstickungsgefahr?
Natürlich sollte bei Erkältungen und starken Allergien vom Mouth Taping abgesehen werden. Auch Menschen, die an Schlafapnoe leiden, sollten auf die Methode verzichten. Sterben wird aber auch diese Personengruppe nicht: Der Atemreflex des Körpers würde rechtzeitig zu einem Aufwachen und Entfernung des Tapes führen.
Fazit zum Mouth Taping
Mouth Taping ist einer neuer, vor allem von Influencern getragener Gesundheitstrend, der auch unter Sportlern um sich greift. Durch das Zukleben des Mundes im Schlaf soll eine Nasenatmung ausgelöst werden, die sich auf die allgemeine Gesundheit, das Wohlbefinden und die körperliche Leistungsfähigkeit positiv auswirken soll.
Die Studienlage ist derzeit noch dünn und zwiegespalten. Wer es mit dem Mouth Taping einmal versuchen möchte, kann dies aber mit geringen Investitionen und verschwindendem Aufwand ruhigen Gewissens tun.
Die Nasenatmung sollte generell im wachen Zustand immer die erste Wahl sein. Wer dazu neigt, die Luft immer mal wieder durch den Mund zu ziehen, sollte hierfür sein Bewusstsein schärfen. Auch im (Cardio-)Training empfiehlt es sich, regelmäßig Einheiten ausschließlich mit Nasenatmung zu beschreiten. Das geht übrigens auch ohne Pflaster.
Was haltet ihr von Mouth Taping, habt ihr es schon mal probiert oder würdet ihr es gerne mal versuchen? Sagt es uns hier!