Was ist die beste Strategie für Progression?

“Harder than last time!” Um langfristig Kraft oder Muskulatur aufzubauen, muss progressiv trainiert werden. Das heißt, dein Training muss in irgendeiner Form herausfordernder werden, um Reize zu setzen, die stark genug sind, immer wieder neue Adaptionen zu erzwingen.

 

“Progressive Overload” lautet das Zauberwort, das gleichzeitig Treiber wie auch Nachweis für neue Gains ist. Viele denken zunächst, dass es dabei nur die Steigerungsmöglichkeiten “Mehr Gewicht” oder “Mehr Wiederholungen” gibt. Doch das ist falsch, denn es gibt darüber hinaus auch noch einige weitere Möglichkeiten, im Training einen Gang hochzuschalten.

 

Welche das sind und mit welchen Progressionsstrategien du am besten fährst, verraten wir dir in diesem Beitrag!

 

 

1. Verbesserte Ausführung / Technik

Wenn du beispielsweise beim Bankdrücken ein bestimmtes Gewicht bisher nur mit Mühe und Not, unter Einsatz von Schwung oder Momentum oder mit heftigstem Grinden für 10 Wiederholungen bewegen konntest und du dieses nach einiger Zeit dann 10-mal sauber und strikt drücken kannst, ist das definitiv eine Form der Steigerung. Schließlich erfordert eine saubere Ausführung in der Regel auch mehr Kraft.

 

Allerdings tue ich mich schwer damit, eine Verbesserung der Technik als eigenständige Progressionsstrategie zu sehen. Stattdessen handelt es sich eher um eine Begleiterscheinung echter Progression. Wenn du dich in einem Satz steigerst – egal ob durch mehr Gewicht oder eine zusätzliche Wiederholung – wird die Technik zunächst einmal ein wenig leiden. Training in unmittelbarer Nähe zum Muskelversagen und Bilderbuchtechnik sind erst einmal ein Widerspruch in sich. Erst mit steigender Adaption wird sich deine Ausführung wieder verbessern und eine weitere Steigerung ermöglichen.

 

Mehr Gewicht draufzupacken oder eine weitere Wiederholung anzustreben, wenn du bereits den aktuellen Stand nur mit grottigster Technik bewältigst, ergibt einfach keinen Sinn. Insofern würde ich eine solide Technik eher als Grundvoraussetzung sehen, um überhaupt eine andere Variable nach oben zu schrauben.

 

Auf der anderen Seite macht es auch wenig Sinn, solange bei einem Gewicht zu verharren, bis jede Wiederholung absolut perfekt ist und die letzte aussieht wie die erste. Im Bereich der effektiven Reps sorgt schon allein die mechanische Spannung dafür, dass die Wiederholungen erheblich langsamer werden. Bis wirklich jede Rep identisch ist, würdest du also zwangsläufig Gains auf der Strecke lassen.

 

2. Reduzierung der Pausenzeiten

Eine weitere Möglichkeit, den Muskel vor neue Herausforderungen zu stellen, besteht darin, die Pausenzeiten kontinuierlich zu reduzieren. In zwei Studien (1, 2) von de Souza und Kollegen (die sich im Wesentlichen nur darin unterschieden, dass in einer davon zusätzlich Creatin supplementiert wurde) wurde genau das untersucht. Eine Gruppe trainierte dabei durchgehend mit Pausenzeiten von 2 Minuten, während die zweite im Verlauf von 8 Wochen ihre Pausenzeiten sukzessive reduzierte, bis sie am Ende nur noch 30 Sekunden Pause zwischen den Sätzen machte.

 

Die Gruppe, die ihre Pausenzeiten konstant beließ, konnte über den Verlauf der Studienzeit ihren Gesamtload (Gewicht x Reps x Sätze) steigern, während die Gruppe mit der Pausenreduktion in einer Studie stagnierte und in der anderen sogar den Gesamtload verringern musste. Da Satz- und Wiederholungszahlen fix waren, wurde hier also tatsächlich ein progressiver Overload über Gewichtssteigerung mit der über die Reduzierung der Pausenzeiten verglichen. Am Ende erzielten beide Gruppen in etwa die gleichen Zuwächse an Kraft und Muskulatur, was zeigt, dass dieses Vorgehen grundsätzlich funktioniert.

 

Allerdings gibt es hier gleich mehrere Probleme. Zum einen besteht aktuell weitestgehend Konsens darüber, dass längere Pausenzeiten von 3 Minuten oder mehr zu besseren Ergebnissen in Sachen Muskelaufbau führen – zumindest bei komplexeren Übungen (Grund- bzw. Mehrgelenksübungen), wie wir bereits in diesem Artikel aufgezeigt haben. Das mag in dieser Studie (in der diese Übungen ebenfalls enthalten waren) eventuell weniger ins Gewicht gefallen sein, weil die Laufzeit nicht besonders lang war und auch die Pausenzeiten der Konstant-Gruppe bereits suboptimal waren.

 

Zum anderen ist dieses Progressionsschema natürlich auch endlich. Irgendwann ist eine weitere Reduzierung der Pausenzeiten schlicht nicht mehr sinnvoll oder auch nur möglich. Man kann die Pausenzeiten nicht bis auf 0 reduzieren und selbst wenn es möglich wäre, wäre spätestens dann Schluss.

 

Als langfristige Strategie taugt dieses Vorgehen also nicht, für eine kurze Phase könnte man es hingegen mal versuchen.

 

3. Mehr Volumen / höhere Frequenz

Ich habe diese beiden Punkte zusammengefasst, da das Steigerungspotenzial einer Frequenzerhöhung letztlich ebenfalls aus einer Volumensteigerung resultiert. Generell ist Volumen kein idealer Faktor für Progression. Warum? Sagen wir, du trainierst 3 Sätze á 10 Wiederholungen und im nächsten Training dann 4 Sätze á 10 Wiederholungen. Nun ist es so, dass die erzielten Kraftzuwächse dafür sorgen, dass der erste dieser 4 Sätze nun leichter ist und somit weniger effektiv. Am Ende hast du dann letztlich die gleiche Anzahl effektiver Reps, brauchst aber mehr Zeit dafür. Zum anderen ist eine Steigerung des Volumens natürlich auch nur begrenzt sinnvoll. Irgendwann werden nicht nur die Einheiten zu lang, du erzeugst auch zu viel Erschöpfung, die du nicht mehr regenerieren kannst und die dir langfristig eher schadet als nützt.

 

Das bedeutet aber nicht, dass eine Progression über mehr Volumen nicht grundsätzlich auch funktionieren würde. So vermuten einige Experten, dass der Grund für die guten Ergebnisse der High Volume-Gruppe aus der berühmt-berüchtigten Enes-Studie (3, Stichwort: 52 Sätze) nicht im absurd hohen Volumen an sich lag, sondern daran, dass über eine gleichzeitige Steigerung von Arbeitsgewicht und Satzzahl quasi eine doppelte progressive Überladung stattfand. Aber anhand dieser Studie zeigte sich auch der bereits oben erwähnte Kritikpunkt deutlich, da einige Teilnehmer dieser Gruppe am Ende der Studie über starke Erschöpfungssymptome klagten.

 

Eine Sportlerin belädt eine Langhantel mit mehr Gewicht, um dadurch Progression im Training zu erzielen.
Mehr Gewicht auf die Hantel zu laden, ist nur eine von vielen Möglichkeiten, sich zu steigern.

 

4. Mehr Gewicht / mehr Wiederholungen

Kommen wir damit zu den beiden mit Abstand gebräuchlichsten Formen der Progression, der Erhöhung des Arbeitsgewichts (Load) und der Steigerung der Wiederholungszahl. Da beide Methoden bekannt sein sollten und deren Effektivität außer Frage stehen dürfte, vergleichen wir stattdessen die beiden Verfahren miteinander und versuchen herauszufinden, ob eine der beiden besser als die andere ist.

 

Dazu gibt es aktuell 3 Studien, die diese beiden Methoden miteinander vergleichen. Da wäre zunächst die Studie von Nubrega und Kollegen (4). 24 Männer trainierten am Beinstrecker, wobei eine Gruppe jedes Mal, wenn sie das Ende der Rep-Range erreichte, das Gewicht steigerte, während die andere immer mehr Wiederholungen ausführte (allerdings wurde auch bei dieser Gruppe nach 6 Wochen eine Gewichtsanpassung vorgenommen). Das Ergebnis war, dass die Zuwächse in Sachen Kraft zwar für beide Gruppen gleich war, die Gruppe, die das Arbeitsgewicht gesteigert hatte, aber deutlich mehr Muskeln aufgebaut hatte.

 

Allerdings hat diese Studie einen ganz erheblichen Makel, weshalb ich sie hier nur der Vollständigkeit halber erwähne, aber ansonsten außen vor lassen werde: Und zwar wurden die Gruppen nicht direkt verglichen, sondern die Ergebnisse stammten aus zwei älteren Studien mit ähnlichem Aufbau. So waren nicht nur Laufzeit und Teilnehmerzahl der beiden Gruppen unterschiedlich, es wurde auch eine andere Frequenz trainiert. Die Load-Gruppe trainierte mit 3 Einheiten á 3 Sätzen die Woche für 8 Wochen, die Rep-Gruppe mit 2 Einheiten á 3 Sätzen für 12 Wochen. Dazu kommen weitere Mängel am Studiendesign, welche die Aussagekraft dieser Arbeit weiter einschränken.

 

Interessanter ist da schon die Studie von Plotkin und Kollegen (5), allein schon, weil es sich bei dieser um eine randomisierte, kontrollierte Arbeit handelt, den Goldstandard bei Vergleichsstudien. In dieser Studie führten 38 Teilnehmer ein Unterkörper-Training, bestehend aus Kniebeugen, dem Beinstrecker sowie sitzendem und stehendem Wadenheben, aus. Auch in dieser Studie steigerte eine Gruppe das Gewicht, wenn das Ende der Rep-Range von 8-12 Wiederholungen erreicht wurde, während die zweite Gruppe einfach immer mehr Wiederholungen ausführte. Nach 8 Wochen wurden die Ergebnisse verglichen und wie sich herausstellte, waren Kraft- und Muskelaufbau für beide Gruppen weitestgehend gleich.

 

Noch besser war die Studie von Chaves und Kollegen (6), weil hier ein sogenanntes “In Subject-Design” verwendet wurde, bei dem die Probanden nicht in Gruppen aufgeteilt wurden, sondern jeder Teilnehmer mit je einem Bein auf die eine und mit dem anderen Bein auf eine andere Art trainierte. Dieses Design hat den großen Vorteil, dass Unterschiede in Sachen Ernährung, Lebenswandel und Genetik nicht ins Gewicht fallen, was speziell bei kleineren Teilnehmerzahlen Studienergebnisse ansonsten durchaus beeinflussen kann. Auch in dieser Studie trainierten die 39 Teilnehmer ihren Oberschenkel für zehn Wochen am Beinstrecker und auch hier wurde für das eine Bein das Gewicht erhöht, wenn das Ende des Wiederholungsbereichs erreicht wurde, während beim anderen Bein die Reps gesteigert wurden (im Schnitt von 9 auf 15 Wiederholungen). Und auch in dieser Studie waren die Fortschritte in Sachen Kraft- und Muskelaufbau nahezu identisch.

 

Die beiden relevanten Studien zu diesem Thema zeigen also, dass die zwei gängigsten Methoden, um progressiven Overload zu erreichen, prinzipiell gleichwertig sind. Und eigentlich sollte das auch niemanden überraschen. Denn wie wir wissen, lässt sich mit Wiederholungszahlen zwischen ungefähr 5 und 30 der gleiche Muskelaufbau erreichen, sofern bis zum oder zumindest in der Nähe des Muskelversagens trainiert wird (7). Entscheidend ist also nicht der verwendete Load, sondern der Grad an mechanischer Spannung bzw. die Nähe zum Muskelversagen. Nur für den Kraftaufbau spielt der Load eine Rolle: Hier führt ein höheres Arbeitsgewicht auch zu einem höheren Anstieg.

 

Warum waren dann auch die Resultate in Sachen Kraftaufbau bei diesen beiden Studien gleich? Na ja, erst einmal waren die Ergebnisse nicht wirklich identisch, nur waren die Unterschiede nicht signifikant. Bei genauerer Betrachtung erzielten die Teilnehmer der Load-Gruppen tatsächlich etwas höhere Zugewinne in Sachen Kraft (in der Plotkin-Studie waren das durchschnittlich 2 kg mehr beim Squat 1RM-Test, siehe Abbildung). Zum anderen war die Differenz in Sachen Load auch nach den Steigerungen noch immer nicht gravierend genug, um einen größeren Unterschied zu machen. Bei einer längeren Laufzeit der Studien und damit einhergehend einer höheren Abweichung in Sachen Load wäre dieser Unterschied sicher deutlicher ausgefallen.

 

Vergleich der beliebten Progressionsstrategien Gewicht und Wiederholungen im Rahmen der Plotkin-Studie.
Der Kraftzuwachs der Load-Gruppe in der Plotkin-Studie war minimal höher als der der Rep-Gruppe.

 

Fazit & Ansätze für Progression in der Praxis

Was ist nun also die beste Art zu steigern? Wie bereits geschrieben halte ich die Verbesserung der Technik eher für eine Begleiterscheinung bzw. Voraussetzung für Fortschritt und würde sie deshalb nicht als eigenständige Progressionsstrategie sehen.

 

Eine Reduzierung der Pausenzeiten funktioniert nur für eine sehr begrenzte Zeit und hat vor allem langfristig zu viele Nachteile, um wirklich infrage zu kommen. Den einzigen Vorteil sehe ich hier in der Zeitersparnis, welche sich aber auch beispielsweise durch den Einsatz von Intensitätstechniken bewerkstelligen ließe.

 

Auch die Erhöhung des Volumens lässt sich nur in einem begrenzten Maß als Mittel für progressiven Overload einsetzen, weil ansonsten schnell das Regenerationspotenzial ausgeschöpft ist. Denkbar wäre daher eher, dies als ergänzende Maßnahme in einem zyklischen Trainingsplan einzusetzen, also das Volumen über einen bestimmten Zeitraum schrittweise zu erhöhen, bis man ins Overreaching gelangt, um es dann anschließend wieder zu reduzieren und einen neuen Zyklus zu beginnen.

 

Bleiben also noch die Steigerung über zusätzliches Gewicht auf der Stange, mehr Wiederholungen oder Mischformen aus beiden. Und wie wir gesehen haben, sind beide Methoden prinzipiell gleichwertig, zumindest wenn es um den Aufbau von Muskelmasse geht. Trotzdem gibt es Szenarien, in denen eine der beiden Varianten vorzuziehen wäre.

 

Für Anfänger, die sich noch sehr schnell im Training steigern können, besteht das vermutlich beste Verfahren in Sachen Progression wohl darin, einen bestimmten Wiederholungsbereich wie z. B. 8 bis 12 anzupeilen und das Gewicht zu steigern, wenn man am oberen Ende dieses Bereichs angekommen ist. Anschließend arbeitet man sich mit dem neuen Gewicht wieder bis ans Ende des Wiederholungsbereichs und so weiter. Dieses Vorgehen ist nicht umsonst das vermutlich am häufigsten eingesetzte, weil es simpel und effektiv ist.

 

Wenn du bereits eine Weile trainierst und die Fortschritte nur noch langsam erzielt werden können, kann es hingegen Sinn machen, sich auf eine der beiden Variablen zu beschränken. Wenn du z. B. 100 kg für 10 Wiederholungen drücken kannst, dann wäre eine zusätzliche Wiederholung bereits eine Steigerung von 10 % und es kann eine Weile dauern, bis du diese erreichst. Hier wäre es sinnvoller, stattdessen 2,5 kg mehr an Gewicht auf die Stange zu laden, was nur eine Steigerung von 2,5 % bedeuten, aber trotzdem einen neuen Reiz setzen würde. Bei Übungen, in denen recht viel Gewicht bewegt wird, lässt sich die Steigerung mit zusätzlichem Gewicht einfach wesentlich genauer dosieren, was es vereinfacht, kontinuierlich Fortschritte zu erzielen. Noch deutlicher wird das, wenn dein Ziel Kraftsteigerung lautet und du dementsprechend schwer trainierst. Wenn du 5 Wiederholungen absolvierst, wäre der Schritt zu einer weiteren Rep eine Steigerung von satten 20 %. Hier wäre also definitiv eine Steigerung über zusätzliches Gewicht die beste Wahl.

 

Anders sieht die Sache natürlich bei Übungen aus, bei denen ohnehin nur ein geringes Gewicht verwendet werden kann. Führst du beispielsweise Seitheben mit Kurzhanteln aus und benutzt dafür 10-kg-Hanteln, dann wären die nächstschwereren Kurzhanteln in den meisten Fällen 12,5 kg schwer, was einer Steigerung um 25 % entspricht. Da dies zu einem erheblichen Einbruch der Wiederholungszahlen führen würde, wäre es meist ratsamer, erst nur über die Anzahl der Wiederholungen zu steigern, bevor du tatsächlich zu den schwereren Hanteln greifst. Es kommt also immer ein wenig auf den Gesamtkontext an, wann welche Form der Steigerung zu empfehlen ist.

 

Übrigens waren das nun natürlich alles Beispiele für eine lineare Progression. Der Vollständigkeit halber muss man an dieser Stelle natürlich auch erwähnen, dass es auch Pläne und Modelle gibt, die mit Periodisierung arbeiten und bei denen die Progression eher wellenförmig stattfindet. Diese sind besonders für weit fortgeschrittene Athleten interessant und im Freizeitbereich eher selten, weshalb wir uns diesen in einem späteren Artikel widmen werden.

 

Welches Progressionsschema verwendest du persönlich? Verrate es uns hier!

 

Quellen:

  1. de Souza Jr. et al. (2010): Comparison between constant and decreasing rest intervals: influence on maximal strength and hypertrophy
  2. de Souza Jr. et al. (2011): Strength and hypertrophy responses to constant and decreasing rest intervals in trained men using creatine supplementation
  3. Enes et al. (2024): Effects of Different Weekly Set Progressions on Muscular Adaptations in Trained Males: Is There a Dose-Response Effect?
  4. Nobrega et al. (2023): Muscle Hypertrophy Is Affected by Volume Load Progression Models
  5. Plotkin et al. (2022): Progressive overload without progressing load? The effects of load or repetition progression on muscular adaptations
  6. Chaves et al. (2024): Effects of Resistance Training Overload Progression Protocols on Strength and Muscle Mass
  7. Schoenfeld et al. (2017): Strength and Hypertrophy Adaptations Between Low- vs. High-Load Resistance Training: A Systematic Review and Meta-analysis
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