Krafttraining war lange Zeit eine Männerdomäne und nur vereinzelt trauten sich Frauen in den Freihantelbereich der Fitnessstudios. Inzwischen hat sich das zum Glück gravierend gewandelt und viele Frauen wissen die zahlreichen Vorteile von Training mit Gewichten zu schätzen.
Zum Beispiel, dass für eine wirklich gute Figur Widerstandstraining meist hilfreicher ist, als Stunden auf dem Stepper zu verbringen. Aber Frauen unterliegen anderen Voraussetzungen im Krafttraining und diese zu kennen, kann hilfreich sein. Let me mansplain…
Vorwort zum Thema Training für Frauen
Erst einmal muss ich mich schuldig bekennen. Auch ich habe jahrelang propagiert, dass Frauen genauso trainieren sollten wie Männer auch und dass Geschlecht beim Training eigentlich keine Rolle spielt. Und bis zu einem gewissen Maß hat sich daran auch nichts geändert.
Eigentlich wollte ich auch nur einen Artikel über Mythen und Missverständnisse zu Frauen und Krafttraining schreiben, aber erstens gibt es solche Artikel schon zuhauf und zweitens bin ich bei der Recherche auf einige interessante Fakten gestoßen, die den Fokus dieses Artikels verschoben haben und Leserinnen vielleicht ein paar Denkanstöße geben könnten, die man ansonsten eher selten liest.
Aber einen Mythos möchte ich an dieser Stelle doch mal kurz beseitigen. Und zwar, dass Frauen weniger Muskeln aufbauen können als Männer. Schocker, ich weiß… Viele gehen davon aus, dass Frauen schlechter aufbauen würden als Männer, weil sie (nach der Pubertät) nur ungefähr ein Zehntel des Testosterons von Männern haben (1). Und ja, das hat einen großen Einfluss auf die Muskelmasse, weshalb Frauen nur etwa 65 % der Muskelmasse eines Mannes gleicher Größe haben (2).
Aber wenn es darum geht, wie die Muskeln auf Widerstandstraining reagieren, scheint das Gesamttestosteron zunächst mal keine große Rolle zu spielen. So zeigen gleich drei Studien zu diesem Thema, zwei davon Metaanalysen, dass Frauen durch Krafttraining prozentual die gleichen Zugewinne an Muskulatur erreichen können wie Männer (3, 4, 5). So stimmt es zwar, dass Männer mehr totale Muskelmasse aufbauen können, aber eben nur, weil diese auch schon vor dem Training eine wesentlich ausgeprägtere Grundmuskulatur haben. Wenn es aber darum geht, wie der Körper auf Hypertrophiereize reagiert, dann ergibt sich kein Unterschied und es gibt sogar Studien, in denen die Frauen mehr (!) aufgebaut haben, doch dazu später mehr.
Kommen wir damit nun zu den Unterschieden zwischen Frauen und Männern in Sachen Training.
Frauen haben beim Training andere Ziele
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ein guter Trainingsplan sollte IMMER alle Muskelgruppen des Körpers abdecken, egal ob er für Männer, Frauen oder alles dazwischen erstellt wurde. Nur einen Teil des Körpers zu trainieren, führt mindestens zu einer unausgewogenen Optik, schlimmstenfalls aber sogar zu Dysbalancen und Beschwerden. Aber es spricht auch nichts dagegen, bestimmte Bereiche zu fokussieren.
Und Frauen haben nun mal in aller Regel ein anderes optisches Ideal als Männer und dementsprechend verschieben sich auch die Schwerpunkte im Training. Und das ist auch völlig okay. So werden Frauen meist weniger Interesse an breiten Schultern, dicken Armen und einer ausladenden Brust (zumindest nicht an einem ausgeprägten Brustmuskel) haben. Der Oberkörper sollte zwar grundsätzlich sportlich, straff und definiert wirken, große Massezuwächse werden zumeist aber nicht angestrebt. Anders sieht die Sache im Unterkörper und ganz besonders am Po aus. Die Quads sollen meist ebenfalls nicht zu massiv aussehen, aber straff und wohlgerundet sein und der Gluteus soll maximal wachsen. So zumindest beschreiben die meisten Frauen, die ich kenne, ihre Ziele.

Anstatt also als Trainer Frauen einen x-beliebigen Plan für Anfänger vorzusetzen, sollte man Ihnen bei ihren Wunschvorstellungen einer Idealfigur zuhören und den Plan entsprechend anpassen. Gleichzeitig sollte man aber auch darauf achten, dass dieser nicht zu einseitig ausfällt und auch den Oberkörper ausreichend belastet, zumal einige dieser Übungen auch Vorteile bringen, die nicht jedem sofort bewusst sind (z. B. Straffung der Brust durch Brusttraining).
Frauen haben einen anderen Bedarf an Makros
Ernährung ist ein wesentlicher Bestandteil erfolgreichen Muskelaufbaus. Aber auch die Empfehlungen in Sachen Makronährstoffe unterscheiden sich zwischen den Geschlechtern. So verstoffwechseln Frauen im Vergleich zu Männern weniger Kohlenhydrate und Protein, dafür aber mehr Fett (5).
Auch ganz allgemein spielt Fett bei der Körperkomposition von Frauen eine größere Rolle als bei Männern. So benötigen Frauen mindestens um die 12 % Körperfett, um ihren Hormonhaushalt zu regulieren, während dies bei Männern nur etwa 3 % sind (6).
Dementsprechend sollten Frauen im Verhältnis zu Männern mehr Fett in ihrem Ernährungsplan haben. Damit steigern sie nicht nur die Produktion von Sexualhormonen wie Östrogen und Testosteron, was letztlich zu besseren Ergebnis im Training führt, sie verringern damit auch den meist ungewollten Schwund der Brüste, wie er bei Low Fat-Diäten zu beobachten ist (7).

Außerdem benötigen Frauen auch rund 10 % weniger Protein als Männer (8). Was bedeutet das für die Praxis? Auch hier sollte man bei Angaben zu Makros nicht einfach die typischen Angaben für Männer übernehmen, sondern die Empfehlungen für Protein senken (auf ca. 1,5 g je kg Körpergewicht) und die für Fett dafür anheben (mindestens 1 g je kg Körpergewicht). Dies sorgt nicht nur für optimale Ergebnisse in Sachen Muskelaufbau, sondern dient auch der Gesundheit.
Frauen haben eine andere Körperzusammensetzung
Oftmals wird behauptet, dass Frauen generell eine andere Zusammensetzung von Muskelfasertypen haben als Männer. Das stimmt aber nur bedingt. So besteht die Muskulatur von Männern und Frauen grundsätzlich aus den gleichen Anteilen an Slow-Twitch-Muskelfasern (Typ 1) und Fast-Twitch-Muskelfasern (Typ 2) (9).
Interessanterweise ändert sich das durch Training. Während bei Männern durch Widerstandstraining Typ 1 Muskelfasern in Typ 2 Muskelfasern umgewandelt werden, passiert bei Frauen genau das Gegenteil. Bei ihnen werden Muskelfasern entweder überhaupt nicht oder von Typ 2 zu Typ 1 Fasern umgewandelt (10). Da Typ 2 Muskelfasern allerdings ein erheblich größeres Wachstumspotenzial haben, trägt das zu der bereits besprochenen Annahme bei, dass Frauen weniger Muskulatur aufbauen könnten.

Aber dafür ermüden Typ 1-Fasern wesentlich langsamer und regenerieren schneller. Das hat auch direkte Auswirkungen darauf, wie Frauen trainieren sollten. Durch die hohe Erschöpfungsresistenz von Frauen können und sollten Frauen etwas intensiver trainieren als Männer bzw. verkraften es besser, regelmäßig bis zum Muskelversagen zu trainieren. Wenn ein Training anhand von Prozentangaben des 1RM (One-Repetition-Maximum) strukturiert wird, sollte außerdem berücksichtigt werden, dass Frauen in der Regel mehr Wiederholungen bei einem bestimmten Wert schaffen als Männer.
So wird ein Mann bei 75 % seines 1RM ungefähr 10 Wiederholungen bewältigen, während eine Frau hier eher im Bereich von 12 bis 15 Wiederholungen liegt (11). Deshalb sollte bei Vorgaben für Frauen in Sachen Intensität stets geprüft werden, ob man sich wirklich im gewünschten Intensitäts-Bereich bewegt. Das gilt insbesondere, da Frauen wie bereits erwähnt auch eine höhere Intensität besser verkraften und dies auch dementsprechend mehr ausreizen sollten.
Auch auf andere Bereiche des Trainings hat der höhere Anteil an Slow-Twitch-Fasern bei Frauen einen direkten Einfluss. So verkraften Frauen auch ein höheres Volumen als Männer. Wenn entsprechende Studien, die an Männern durchgeführt wurden, mit Frauen repliziert werden, so sprechen diese meist deutlich besser auf ein höheres Volumen an. Das liegt nicht nur an der Faserverteilung, sondern hängt auch mit Östrogen zusammen. Im Gegensatz zu dem, was viele glauben, hat Östrogen nicht nur negative Auswirkungen auf Trainingserfolge. So wirkt Östrogen auch antikatabol, verhindert also Muskelabbau und schützt den Muskel vor Schädigungen. Das ist auch ein Grund, warum Bodybuilder meist versuchen, den Östrogenspiegel nicht zu weit zu senken, wenn sie hochandrogene Stoffe nutzen, da ansonsten Verletzungen drohen.
Ein weiterer Effekt des Zusammenspiels aus einem höheren Anteil aus Typ 1 Muskelfasern und Östrogen ist, dass Frauen schneller regenerieren. Das gilt sowohl für die Pause zwischen 2 Sätzen (12) als auch für die zwischen 2 Trainingseinheiten (13). Bei einer Studie von Judge und Burke aus dem Jahre 2010 z. B., führten Männer und Frauen Bankdrücken aus und anschließend wurde zu verschiedenen Zeitpunkten gemessen, wann das ursprüngliche Kraftniveau wieder vollständig hergestellt war. Bei den Männern war das nach rund 48 Stunden wieder der Fall, bei den Frauen bereits bei der ersten Prüfung überhaupt, nach 4 Stunden. Daraus ergibt sich, das Frauen kürzere Satzpausen und eine höhere Frequenz nutzen sollten, um ihre Ergebnisse zu optimieren.
Ein weiterer Unterschied beim Training zwischen Männern und Frauen betrifft die Explosivität und Ausführungsgeschwindigkeit. Fast-Twitch-Fasern heißen nicht umsonst so und zudem ist der Motorkortex im Hirn (also der Bereich der für die Steuerung von Bewegungen verantwortlich ist) bei Männern größer als bei Frauen. Deshalb sind Männer deutlich besser darin, ihre Kraft explosiv zu entfalten (14). Das ist auch einer der Gründe, warum Männern Frauen in vielen Sportarten weit überlegen sind, bei denen es auf Schnellkraft ankommt.
Aber Schnellkraft ist auch wichtig, wenn es um Maximalkraft geht. Deshalb ist der oben genannte Vorteil in Sachen Wiederholungszahl auch nicht mehr feststellbar, wenn es um sehr schwere Wiederholungen nahe des 1 RM geht.
Aus diesem Grund sollten Frauen generell in höheren Wiederholungsbereichen und mit einer höheren Kadenz (langsamere Ausführung) trainieren als Männer, um ihre Stärken besser ausspielen zu können. Das gilt übrigens nicht nur für Krafttraining, auch “slow and steady”-Cardio scheint für Frauen besser zu funktionieren als Hochintensives Intervalltraining (HIIT).
Zusammenfassung: Wie sollten Frauen trainieren?
Auch wenn die Grundprinzipien des Trainings sich nicht grundsätzlich unterscheiden, gibt es doch Unterschiede zwischen Männern und Frauen, wenn es darum geht, wie ein optimales Training aussehen sollte. So funktionieren die Vorgaben für einen Mann prinzipiell auch für Frauen und würden durchaus gute Resultate erzielen, aber das Training eines Mannes 1 zu 1 zu übertragen, würde bei Frauen vermutlich dazu führen, dass sie dabei Gains auf der Strecke lassen.
Erstaunlicherweise erweisen sich viele dieser unterschiedlichen Gegebenheiten bei Frauen bei genauerer Prüfung als entweder weniger nachteilig in Sachen Hypertrophie als oftmals angenommen und in vielen Fällen haben Frauen sogar Vorteile. Und genau diese Vorteile gilt es auszunutzen, um möglichst gute Resultate im Fitnessstudio zu erzielen.
So sollten Frauen…
- den Trainingsplan auf ihre optischen Ziele anpassen,
- mehr Fett, aber weniger Protein und Kohlenhydrate konsumieren,
- näher bis zum Muskelversagen trainieren,
- in einem höheren Wiederholungsbereich arbeiten,
- kürzere Satzpausen nutzen,
- ein höheres Volumen absolvieren
- und eine höhere Frequenz verwenden.
Wenn man sich diese Punkte anschaut, kann man auch zusammenfassend sagen, dass Frauen im Vergleich zu Männern tatsächlich sogar mehr, öfter und härter trainieren sollten. Das mag für einige überraschend sein, aber alles deutet darauf hin, dass dieses simple Prinzip für Frauen besser funktioniert als für das vermeintlich stärkere Geschlecht.
Ich hoffe, du konntest etwas aus diesem Artikel mitnehmen. Die meisten meiner Artikel sind ja eher allgemeiner Natur oder richten sich hauptsächlich an Männer, weshalb es mal an der Zeit war, etwas für die Mädels auf diesem Board zu verfassen. Wenn du Kritik, Anregungen oder Fragen hast, dann schreibe uns doch bitte in diesem Thread!
Quellen:
- Vingren et al. (2012): Testosterone Physiology in Resistance Exercise and Training
- Nuzzo, James (2023): Narrative Review of Sex Differences in Muscle Strength, Endurance, Activation, Size, Fiber Type, and Strength Training Participation Rates, Preferences, Motivations, Injuries, and Neuromuscular Adaptations
- Refalo et al. (2024): Sex Differences in Absolute and Relative Changes in Muscle Size following Resistance Training in Healthy Adults: A Systematic Review with Bayesian Meta-Analysis
- Roberts et al. (2020): Sex Differences in Resistance Training: A Systematic Review and Meta-Analysis
- Tarnopolsky (2008): Sex differences in exercise metabolism and the role of 17-beta estradiol
- Vehrs, Hager (2013): Assessment and Interpretation of Body Composition in Physical Education
- Boyd et al. (1997): Effects at Two Years of a Low-Fat, High-Carbohydrate Diet on Radiologic Features of the Breast: Results From a Randomized Trial
- Rand et al. (2003): Meta-analysis of nitrogen balance studies for estimating protein requirements in healthy adults
- Staron et al. (2000): Fiber Type Composition of the Vastus Lateralis Muscle of Young Men and Women
- Martel et al. (2006): Age and sex affect human muscle fibre adaptations to heavy-resistance strength training
- Maughan et al. (1986): Endurance capacity of untrained males and females in isometric and dynamic muscular contractions
- Fulco et al. (1999): Slower fatigue and faster recovery of the adductor pollicis muscle in women matched for strength with men
- Judge, Burke (2010): The effect of recovery time on strength performance following a high-intensity bench press workout in males and females
- Häkkinen (1991): Force production characteristics of leg extensor, trunk flexor and extensor muscles in male and female basketball players