Ozempic, Wegovy & Co.:
Cheating oder legitime Hilfe?

Ein Gastbeitrag von Thomas Koch

Die Fitnesswelt ist voller Widersprüche. Einerseits predigen Athleten Disziplin, harte Arbeit und einen eisernen Willen, wenn es um Training und Ernährung geht. Andererseits sind Steroide, Wachstumshormone und Insulin in vielen Kreisen längst Alltag. Und jetzt? Jetzt taucht mit Ozempic, Wegovy und Co. eine neue Medikamentengruppe auf – ursprünglich entwickelt für Diabetiker, inzwischen gefeiert als Wundermittel für schnellen Gewichtsverlust. Die Frage, die sich stellt: Ist das einfach nur faules Cheating für Menschen ohne Selbstkontrolle? Oder vielleicht doch eine medizinische Revolution, die überfällig war?

 

 

Milliardenmarkt: Wer hinter dem Ozempic-Boom steckt

Novo Nordisk, das dänische Pharmaunternehmen hinter Ozempic und Wegovy, hat durch den Erfolg dieser Medikamente eine beispiellose wirtschaftliche Entwicklung erlebt. Im Jahr 2024 stiegen die Gesamtverkäufe des Unternehmens um 25 % auf 290,4 Milliarden Dänische Kronen (etwa 42,1 Milliarden US-Dollar). Der Bereich Adipositas-Behandlung wuchs um satte 56 % auf 65,1 Milliarden Dänische Kronen (ca. 9,4 Milliarden US-Dollar).

 

Die immense Nachfrage hat Novo Nordisk veranlasst, seine Produktionskapazitäten massiv auszubauen. Das Unternehmen investiert Milliarden in neue Produktionsstätten, um der weltweiten Nachfrage gerecht zu werden. Während also viele der „Old School“-Kritiker Ozempic als Betrug abtun, bleibt die Realität: Hier geht es nicht um ein obskures Underground-Mittel aus dubiosen Quellen, sondern um ein offiziell zugelassenes Medikament mit wissenschaftlich belegter Wirkung.

 

Wie funktionieren Ozempic & Co. eigentlich?

Eigentlich begann alles ganz unspektakulär. Semaglutid, der Wirkstoff hinter den gehypten Medikamenten, wurde entwickelt, um den Blutzucker von Typ-2-Diabetikern zu regulieren. Dabei fiel auf: Die Patienten nahmen drastisch ab – nicht, weil sie plötzlich mehr Sport machten oder Kalorien zählten, sondern weil sie schlicht weniger Hunger hatten.

 

Der Mechanismus dahinter ist simpel: Semaglutid gehört zu den GLP-1-Analoga, einer Medikamentengruppe, die den Hormonhaushalt beeinflusst und das Sättigungsgefühl verstärkt. Das bedeutet:

  • Die Lust auf Essen verschwindet fast komplett,
  • der Magen entleert sich langsamer,
  • der Blutzuckerspiegel bleibt stabil
  • und die Insulinausschüttung wird optimiert.

Das Resultat? Massiver Gewichtsverlust – ganz ohne Willenskraft.

 

Eine schlanke Frau in einer zu großen Hose nach der Gewichtsabnahme mit Ozempic.
Viele haben das Ziel abzunehmen, schaffen es aber nicht.

 

Warum ist Abnehmen so schwer?

In der Fitness- und Bodybuilding-Szene ist Fettverlust eine Wissenschaft für sich. Es gibt unzählige Theorien über die perfekte Diät – von Low-Carb über Intervallfasten bis hin zu Hardcore-Wettkampf-Vorbereitungen, bei denen Leute auf eine Handvoll Mandeln pro Tag reduziert werden. Die Vorstellung, dass jemand nun einfach eine Spritze setzt und das Hungergefühl quasi auf Knopfdruck verschwindet, passt nicht ins Narrativ. Schließlich heißt es doch immer: Wer es nicht ohne Hilfsmittel schafft, hat es nicht verdient.

 

Aber ist das wirklich fair? Wer sich mit aktuellen Studien beschäftigt, merkt schnell: Nachhaltiges Abnehmen ist für viele Menschen extrem schwer – selbst mit professioneller Hilfe.

 

Eine große Rolle spielt dabei das „Gedächtnis“ der Fettzellen. Wer einmal übergewichtig war, hat auch nach Jahren des erfolgreichen Abnehmens noch dieselbe Anzahl an Fettzellen – sie sind nur kleiner. Und sie schreien förmlich danach, wieder aufgefüllt zu werden. Der Körper interpretiert den neuen, niedrigeren Fettanteil als Hungersnot und fährt Schutzmechanismen hoch:

  • Der Grundumsatz sinkt.
  • Das Hungergefühl steigt.
  • Der Stoffwechsel verlangsamt sich.

Selbst eine perfekt geplante Diät endet oft in einem Rückfall. Laut Studien nehmen über 90 % aller Menschen, die stark abnehmen, innerhalb weniger Jahre wieder zu – viele sogar mehr als zuvor. Wenn es also eine Möglichkeit gibt, dieses Spiel der Biologie zu überlisten, warum sollte man sie nicht nutzen?

 

Doppelmoral in der Szene: Wer darf cheaten?

Und genau hier beginnt die moralische Debatte. Im Fitness- und Bodybuilding-Umfeld sind leistungssteigernde Medikamente gang und gäbe. Wer sich mit Steroiden, Wachstumshormonen oder Insulin auflädt, um Muskelmasse aufzubauen, sollte sich wohl kaum darüber aufregen, wenn andere zu Medikamenten wie Ozempic oder Wegovy greifen, um ihren Körperfettanteil zu reduzieren.

 

Interessanterweise sind es oft genau die Leute, die sich mit Testosteron und Trenbolon vollpumpen, die jetzt Ozempic als „Schummeln“ abtun. Das Argument: „Muskeln erfordern harte Arbeit und wer sich in Form bringen will, soll halt einfach seinen Arsch hochkriegen.“

 

Eine nette Theorie – wenn sie denn realistisch wäre. Die Wahrheit ist, dass Adipositas längst eine globale Epidemie ist. Laut WHO sind weltweit über 1 Milliarde Menschen fettleibig, Tendenz steigend. Und nein, es liegt nicht nur an Faulheit oder schlechter Ernährung. Genetische, hormonelle und gesellschaftliche Faktoren machen es für viele Menschen extrem schwer, abzunehmen.

 

Ein Bodybuilder überlegt, was er von Ozempic und Co. halten soll.
Wo ziehen Bodybuilder die Grenze zwischen legitimem Hilfsmittel und Cheaten?

 

Nehmen die Abnehmwilligen den Diabetikern ihr Medikament weg?

Ein häufiges Argument gegen den aktuellen Ozempic- und Wegovy-Boom ist die Frage, ob hier Menschen, die „nur“ abnehmen wollen, den Diabetikern ihre Medikamente wegnehmen. Tatsächlich führten die massive Nachfrage und der Hype darum in der Vergangenheit zu Lieferengpässen.

 

Besonders in den USA kam es zu Engpässen, wodurch viele Typ-2-Diabetiker vorübergehend Probleme hatten, an ihr dringend benötigtes Medikament zu kommen. Novo Nordisk hat darauf reagiert und die Produktion massiv ausgeweitet. Zudem wurde Wegovy speziell für die Adipositas-Therapie zugelassen, um eine klare Trennung zwischen den Patientengruppen zu ermöglichen.

 

Kein Zaubermittel – aber ein echter Gamechanger

Fakt ist: Ozempic, Wegovy & Co. sind keine magischen Lösungen.

  • Man muss sie dauerhaft nehmen, um den Effekt zu behalten.
  • Sie lösen nicht das grundsätzliche Problem – wer seine Ernährung nicht langfristig ändert, wird auch mit Medikamenten kämpfen.
  • Es gibt Nebenwirkungen – von Übelkeit bis hin zu einem erhöhten Risiko für Muskelabbau.

Aber mal ehrlich: In einer Szene, in der illegale Substanzen längst zum Alltag gehören, ist es dann wirklich ein Skandal, wenn jemand ein ärztlich zugelassenes Medikament nutzt, um seinen Körperfettanteil zu reduzieren?

 

Die Zeiten ändern sich. Während Steroide nach wie vor verpönt sind (zumindest offiziell), könnten GLP-1-Analoga in den kommenden Jahren genauso normal werden wie Proteinshakes oder Fatburner. Die Frage ist nicht, ob diese Medikamente die Fitnesswelt beeinflussen werden – sondern nur, wie schnell.

 

Warum eine Abnehm-Challenge und Medikamente wie Ozempic kein Gegensatz sind

Jetzt könnte man meinen: „Moment mal – wenn Abnehmen so schwer ist und Medikamente wie Ozempic die Lösung sein sollen, warum macht ihr dann eine Abnehm-Challenge für den Sommer?“

 

Ganz einfach: Eine Challenge und eine medizinische Therapie sind zwei völlig unterschiedliche Ansätze.

 

Eine Challenge basiert auf Disziplin, Ernährung und Bewegung – und das funktioniert für viele Menschen auch gut. Gerade für Fitnessbegeisterte, die bereits eine gewisse Grundstruktur in ihrer Ernährung und im Training haben, kann eine Abnehm-Challenge ein effektives Mittel sein, um Körperfett gezielt zu reduzieren.

 

Das Problem beginnt aber bei Menschen, die trotz aller Bemühungen nicht langfristig abnehmen können. Hier greifen Faktoren wie das Fettzell-Gedächtnis, hormonelle Dysbalancen und Stoffwechselanpassungen – also Dinge, die mit purem Willen oft nicht zu überlisten sind. Genau für diese Menschen sind Medikamente wie Ozempic eine potenzielle Lösung.

 

Mit anderen Worten:

  • Eine Challenge ist für die, die es (noch) mit natürlicher Disziplin und Anpassung schaffen können.
  • Medikamente sind für diejenigen, bei denen der Körper nach jeder Diät zurück in alte Muster fällt – egal, wie sehr sie sich anstrengen.

Beides kann also existieren, ohne sich zu widersprechen. Wer seine Ernährung und seinen Sport im Griff hat, braucht solche Medikamente vielleicht gar nicht. Aber für andere kann es genau das fehlende Puzzleteil sein, um den Jo-Jo-Effekt endlich zu durchbrechen.

 

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