Cannabis und Bodybuilding

Am 01.04.2024 tritt in Deutschland das Cannabisgesetz in Kraft, das den Konsum, den Erwerb und den Anbau begrenzter Mengen an Cannabis legalisiert. Eine gute Gelegenheit einmal die Auswirkungen des Konsums der Droge auf unseren Sport unter die Lupe zu nehmen.

 

Wie in der Gesellschaft allgemein, ist Cannabis auch in der Bodybuilding-Szene durchaus verbreitet. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so recht in das Bild des disziplinierten Athleten passen mag, so kenne ich persönlich sehr viele Bodybuilder, die dem Genuss von Gras nicht abgeneigt sind. Und die meisten von uns werden sich auch noch an die Szene aus Pumping Iron erinnern, in der Arnold Schwarzenegger nach dem Gewinn des Mr. Olympia 1975 auf der Couch liegend einen Joint raucht.

 

Mit diesem Wissen im Hinterkopf und angesichts der bevorstehenden (Teil-)Legalisierung stellt sich die Frage, ob und wie sich Kiffen auf den Muskelaufbau auswirkt. Hindert der Konsum von Gras und Haschisch bzw. deren Wirkstoff THC (Tetrahydrocanabinol) den Muskelaufbau oder den Abbau von Körperfett? Verschenkt man Gains wenn man sich ab und zu einen Joint gönnt? Könnte Kiffen in Sachen Hypertrophie womöglich sogar hilfreich sein? Diese Fragen versuchen wir in diesem Artikel zu klären.

 

Der wissenschaftliche Aspekt

 

Um es gleich vorweg zu nehmen: leider gibt es keine Studien, die direkt die Auswirkungen von Cannabiskonsum auf Hypertrophie und sportliche Leistung im Allgemeinen untersuchen, zumindest wären mir keine bekannt. Allerdings gibt es zahlreiche Studien, die die Effekte auf Faktoren untersuchen, die einen wichtigen Einfluss auf Muskelauf- und Fettabbau haben.

 

Wie wir alle wissen, spielen Hormone beim Aufbau von Muskelgewebe im Körper eine entscheidende Rolle. Allen voran wären hier Testosteron, Wachstumshormone (HGH) und Östrogen zu nennen. Während die beiden Erstgenannten den Muskelaufbau fördern bzw. für diesen essentiell sind, hat Östrogen eher den gegenteiligen Effekt. Im Folgenden schauen wir uns deshalb an, ohne zu sehr ins Detail zu gehen, welchen Einfluss THC auf diese Hormone hat.

 

Testosteron

 

Die meisten Studien zu diesem Thema zeigen, dass sich der Konsum von Cannabis negativ auf den Testosteron-Haushalt auswirkt, das heißt das körpereigene Testosteron wird gesenkt, nachdem man einen Joint raucht. Dementsprechend könnte man also durchaus auch von einem negativen Effekt in Sachen Hypertrophie ausgehen.

ABER: Diese Absenkung ist nur geringfügig und von kurzer Dauer. So waren die Werte auch nach dem Konsum noch immer innerhalb des Referenzwertes und bereits nach wenigen Stunden hatten sich der Testosterongehalt im Blut wieder auf ein normales Level eingependelt. Eine Veränderung des Testosteronwerts, unabhängig ob es sich um eine Erhöhung oder Absenkung handelt, hat aber nur dann einen messbaren Einfluss auf die Hypertrophie, wenn es sich um signifikante Abweichungen handelt, die über einen langen Zeitraum anhält (Wochen oder Monate). So schwankt der Testosteronwert auch ganz ohne zu kiffen im Laufe eines Tages recht deutlich. Deshalb ist davon auszugehen, dass diese geringfügige Absenkung keinerlei Einfluss auf den Muskelaufbau hat.

 

Wachstumshormone

 

Der einzige Beleg, dass Kiffen den Wert an Wachstumshormonen senken könnte, wurde in Studien nachgewiesen, in denen den Testobjekten (in diesem Fall Ratten) extrem hohe Dosen an purem THC verabreicht wurden. Es gab sogar Studien, bei denen der Konsum von Cannabis den HGH-Wert leicht ansteigen (!) ließ.

 

Aber auch hier gilt, wie schon beim Testosteron, dass die Veränderungen im Hormonhaushalt geringfügig waren und somit in Sachen Muskelaufbau keinen Unterschied machen dürften. Dass geringfügige Schwankungen in Sachen Wachstumshormone keine wirklichen Auswirkungen haben, ist im Übrigen auch die Begründung dafür, dass unter anderem die Behauptung, durch Beintraining würde auch der Oberkörper wachsen, ein Mythos ist. Aber diesem Thema widmen wir uns mal in einem anderen Artikel.

 

Östrogen

 

Auch in Sachen Östrogen ist die Studienlage nicht eindeutig. Während Versuche mit Zellen von Ratten eine Steigerung in Sachen Östrogen nachweisen konnten, konnten Studien an lebenden Ratten diese Ergebnisse nicht bestätigen. Neuere Studien lassen zumindest vermuten, dass hohe Mengen an THC eine Erhöhung des Östrogen-Wertes zur Folge haben könnten. Auch hier gilt wieder, dass es sich um keine signifikanten Abweichungen handelt, die in der Praxis keine Auswirkungen haben dürften. Ähnlich verhält es sich übrigens auch in Sachen Cortisol, das ebenfalls nach der Einnahme von Cannabisprodukten leicht erhöht war, um auch das nicht unerwähnt zu lassen.

 

 

Zusammenfassend lässt sich in Sachen Kiffen und Hormonhaushalt sagen, dass die Studienlage, insbesondere im Bezug auf menschliche Probanden, etwas unbefriedigend ist und weitere Forschungen notwendig sind, um valide Ergebnisse zu erhalten. Trotzdem scheinen die bisherigen Ergebnisse nach aktuellem Stand den Schluss zuzulassen, dass die Effekte von Cannabis auf den Hormonhaushalt zwar durchaus denkbar oder vorhanden sind, allerdings zu geringfügig ausfallen um wirklich relevant zu sein. An dieser Stelle also erstmal Entwarnung für kiffende Bodybuilder.

 

Die meisten dieser Ergebnisse beziehen sich hierbei zwar auf moderaten Konsum und eventuell könnte die Sachlage bei starkem, chronischem Konsum nochmals anders aussehen aber selbst in diesem Bereich sind die Ergebnisse bisher wenig eindeutig und vermutlich ebenfalls eher zu vernachlässigen. Wobei natürlich bereits aus gesundheitlichen Gründen ohnehin von übermäßigem Gebrauch abzuraten ist.

 

 

Cannabis und Schlaf

 

Neben den Hormonen spielt natürlich auch die Regeneration in Sachen Muskelaufbau eine Rolle, insbesondere die Schlafqualität. Auch dazu gibt es wissenschaftliche Arbeiten, die dieses Thema behandeln.

 

Allerdings zeigt sich, dass der Einfluss von Cannabis auf das Schlafverhalten und die Schlafqualität durchaus komplex ist, von vielen unterschiedlichen, zum Teil auch individuellen Faktoren abhängt und nur schwer auf einen Nenner zu bringen ist.

 

Relativ unstrittig dürfte sein, dass Cannabis ermüdend wirkt und somit beim Einschlafen helfen kann. Dies gilt insbesondere für regelmäßige Konsumenten. Wer selbst praktische Erfahrungen im Umgang mit Cannabis und es ins Sachen Dosierung nicht übertrieben hat und am Rande einer Panikattacke steht, kennt sicherlich das Gefühl des “Couchlock” und so manch ein Konsument wird sich nach dem Genuss eines Joints auch mal Stunden später schlafend auf dem Sofa vorgefunden haben.

 

Dass man mit Cannabis also leichter einschlafen wird, kann somit als gesichert gelten. Aber wenn man erstmal eingeschlafen ist, wie wirkt sich THC dann auf die Schlafqualität aus? Zunächst sollte man wissen, dass der Schlafzyklus aus vier verschiedenen Phasen besteht, die während des Schlafes durchlaufen werden bevor sie sich wiederholen (im Verlauf einer kompletten Schlafphase, also z.B. einer Nacht,  werden somit mehrere Zyklen durchlaufen).

 

  1. Phase: Ein Dämmerzustand zwischen wach sein und schlafen, während der man leicht geweckt werden kann.
  2. Phase: Leichter Schlaf, aus dem man schwerer zu wecken ist.
  3. Phase: Tiefschlaf oder Deltawellen-Schlaf. Eine besonders tiefe Schlafphase, während der kaum Muskelaktivität vorherrscht.
  4. Phase: REM-Schlaf. Eine Tifeschlaf-Phase, während der eine schnelle Augenbewegung stattfindet (REM=Rapid Eye Movement) und in der man träumt.

 

Mehrfach nachgewiesen werden konnte, dass THC die Phasen des Tiefschlafes verlängert, die Dauer der ersten beiden Phasen und die REM-Phase jedoch reduziert. Über diesen Effekt berichten auch viele Nutzer, die nach dem Konsum kaum noch oder gar nicht mehr träumen. Werden hohe Dosen an Cannabis zugeführt, kann sich jedoch neben dem REM- auch der Tiefschlaf reduzieren und die Schlafqualität nimmt ab. Das führt dann unter anderem auch dazu, dass sich die Konsumenten auch nach dem Aufwachen noch verklatscht und benebelt fühlen.

 

Neben THC enthält Cannabis allerdings noch einen weiteren, nicht psychoaktiven, Wirkstoff, das Cannabidiol (CBD). Dieses wirkt stresshemmend, mindert Angststörungen und wirkt den negativen Effekten von THC entgegen. Je nach Sorte ist der Anteil von CBD höher oder niedriger. Im Sinne einer verbesserten Schlafqualität sollten deshalb vor dem Einschlafen besser solche Sorten konsumiert werden, bei denen der CBD-Anteil höher ausfällt (meist Indica-Sorten). Dies gilt insbesondere, wenn Angst oder negative Gedanken (Kopfkino) das Einschlafen behindern.

 

Wie genau sich Cannabis aber bei jedem Einzelnen auf den Schlaf auswirkt, bleibt eine recht individuelle Angelegenheit. So erzielten die Teilnehmer diverser Studien durch die Einnahme von Cannabis teilweise eine Verbesserung ihres Schlafes, andere wiederum eine Verschlechterung und wieder andere konnten hingegen überhaupt keine Veränderung feststellen. Es fällt deshalb schwer, ein finales und allgemeingültiges Urteil zum Thema Cannabis und Schlaf abzugeben, zumal diese Auswirkungen nicht nur von individuellen Faktoren sondern auch von der Dosis, der Sorte, dem Einnahmezeitpunkt, dem Konsumverhalten und dem Reifegrad des Cannabis abhängt.

 

Und deshalb lässt sich auch schwer einschätzen, inwiefern die Wirkung auf das Schlafverhalten den Muskelaufbau beeinflussen könnte. Vermutlich wird auch hier wieder der Effekt nicht signifikant genug sein um messbare Unterschiede zu bewirken, ausgenommen vielleicht bei chronischen Konsum hoher Mengen.

 

Auswirkungen auf das Verhalten

 

Neben den messbaren Effekten auf den Hormonhaushalt und den Schlaf, bei denen die Ergebnisse ohnehin oftmals nicht eindeutig genug sind, spielt in Hinsicht auf Hypertrophie hauptsächlich die Auswirkung von Cannabis auf das generelle Verhalten der Konsumenten eine bedeutende Rolle. Vermutlich ist dieser Aspekt sogar wesentlich relevanter als die zuvor betrachteten Aspekte.

 

So dürfte es kein Geheimnis sein, dass besonders chronische Konsumenten oftmals etwas lethargisch werden, ihren Antrieb verlieren und es Ihnen schwerfällt, sich für’s Training aufzuraffen. Das ist natürlich äußerst ungünstig, wenn es darum geht Muskeln aufzubauen und allgemein sportlich aktiv zu sein, weshalb starker Cannabiskonsum und regelmäßiges, hartes Training eine Kombination ist, die eher selten vorkommt. Allerdings gilt das nicht für alle Kiffer und ich kenne durchaus auch Personen, die täglich Cannabis rauchen und es trotzdem schaffen, ihre 4 bis 5 Einheiten die Woche inklusive Cardio zu absolvieren. Letztlich ist auch das einfach eine Frage des Willens und der Disziplin und damit genauso individuell wie viele andere Faktoren.

 

Ebenfalls berücksichtigen sollte man das Essverhalten unter dem Einfluss von THC. Selbst Personen, die noch nie in ihrem Leben einen Joint geraucht haben, werden schon mal gehört haben, dass der Konsum von Cannabisprodukten zu Fressattacken führen kann (Fressflash oder Munchies). Das ist natürlich suboptimal, wenn es um einen kontrollierten Aufbau, besonders aber wenn es um eine strikte Diät geht. Auch hier ist wieder Willenskraft gefragt oder dass man sich bewusst Reserven schafft und diese Fressattacken, in halbwegs kontrollierter Form, als geplante Cheats nutzt. Theoretisch könnte diese Nebenwirkung sogar hilfreich sein für Personen, die sich damit schwertun, ausreichend Kalorien aufzunehmen um Muskeln aufzubauen. Das Problem hierbei ist jedoch, dass diese Heißhungerattacken in aller Regel nicht gerade auf hochqualitative Nahrungsmittel abzielen. “Ich war gestern so stoned, dass ich mir erstmal ein Kilo Hähnchenbrust und eine Salatschüssel mit Reis und Gemüse reingezimmert habe” ist ein Satz, der in der Menschheitsgeschichte vermutlich noch nie ausgesprochen wurde. Stattdessen werden hauptsächlich Süßigkeiten, Chips und andere Lebensmittel verzehrt, die zum Muskelaufbau außer den Kalorien wenig beitragen. Sofern die Makroziele jedoch grundsätzlich erreicht wurden und tatsächlich nur die Kalorien der springende Punkt sind, können diese Fressattacken in Einzelfällen sogar tatsächlich einen positiven Effekt haben.

 

Zu guter Letzt wäre da noch der Punkt der Regeneration, abseits von der Schlafqualität. Viele Konsumenten nutzen Cannabis hauptsächlich dazu um sich zu entspannen, weshalb man argumentieren könnte, dass Cannabis dadurch die Regeneration nach einer Trainingseinheit fördern könnte. Allerdings werden die wenigsten zwingend einen Joint benötigen, um sich davon abzuhalten nach dem Training noch einen Halbmarathon zu laufen und außerdem geht der Konsum von Gras oder Haschisch auch mit einem erhöhten Cortisolanstieg einher, was den theoretischen Mehrwert in Sachen Regeneration wieder wettmachen würde. Alles in allem also kein wirklich valides Argument.

 

 

 

 

Fazit

 

Cannabis scheint die zum Muskelaufbau förderlichen Hormone nach dem Konsum zu senken, dafür aber die eher katabolen Hormone ansteigen zu lassen. Allerdings ist dieser Effekt zu geringfügig und nur von kurzer Dauer, weshalb ein messbarer negativer Einfluss auf Hypertrophie äußert unwahrscheinlich und in der Praxis vermutlich zu vernachlässigen ist.

 

Auch die Auswirkungen auf die Schlafqualität sind nicht signifikant genug, als das hier eine Beeinträchtigung des Trainingsalltags zu befürchten wäre. Zumal speziell dieser Punkt auch äußerst individuell und zudem noch von weiteren Faktoren abhängig zu sein scheint. Bestimmte Personen könnten in dieser Hinsicht unter Umständen sogar vom Gebrauch von Cannabis profitieren.

 

Was die direkten, messbaren Einflüsse von Cannabis auf den Muskelaufbau angeht, so kann man deshalb sagen, dass man in dieser Hinsicht Entwarnung geben kann, was relevante negative Auswirkungen angeht.

 

Problematischer scheinen in dieser Hinsicht die durch THC ausgelösten Veränderungen im Verhalten zu sein. Sei es durch Müdigkeit, Antriebslosigkeit und Heißhungerattacken. Aber auch diese sind eher akuter Natur und sollten zumindest für Gelegenheitskonsumenten eigentlich keine langfristigen Folgen zu haben.

 

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass man sich keine gr0ßen Gedanken über mangelnden Muskelaufbau zu machen braucht, wenn man hin und wieder einen Joint raucht. Selbst chronische, starke Konsumenten werden vermutlich keine großen Nachteile in sportlicher Hinsicht erfahren, wobei natürlich auch klar sein sollte, dass regelmäßiger und exzessiver Genuss von Rauschmitteln, egal ob legal oder illegal, eher weniger zu einem sportlichen Lebensstil passt. Wer aber den Willen oder die Disziplin hat, die Nebenwirkungen unter Kontrolle zu halten und trotzdem konsequent sein Training und die Ernährung planmäßig durchzuziehen, wird dadurch kaum Gains auf der Strecke lassen.

 

Abschließend sei gesagt, dass wir den Konsum von Cannabis weder befürworten, noch verteufeln. Was man als Einzelperson mit seinem Körper, seinem Geld und seiner Freizeit anstellt, sollte jedem selbst überlassen bleiben, solange man keinen Dritten durch sein Verhalten schadet. Dieser Artikel soll deshalb einfach nur ganz nüchtern (no pun intented) darüber informieren, ob der Konsum von Cannabis sich negativ auf die Zielsetzung eines Kraftsportlers auswirkt. Und die Antwort daraus lautet, zumindest nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft und dem anekdotischen Wissen aus der Praxis, nein. Man wird den Muskelaufbau auch nicht direkt fördern aber niemand wird nur deshalb schwach und dünn bleiben, weil er hin und wieder einen Joint raucht.

 

Wollt ihr diesen Artikel diskutieren oder habt ihr Fragen? Hier könnt ihr das tun!

 

Quellen:

 

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Schierenbeck, Riemann, Berger, Hornyak (2008): Effect of illicit recreational drugs upon sleep: Cocaine, ecstasy and marijuana

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