Ist Bodybuilding ein Sport?

Ein echter Evergreen unter den Diskussionsthemen in diesem Forum ist die Frage, ob Bodybuilding wirklich ein Sport ist oder nicht. Grundsätzlich bestreitet zwar niemand, dass Bodybuilding zumindest etwas mit Sport zu tun hat, schließlich ist die Grundlage des Bodybuildings fortwährendes, hochintensives  Training. Aber trotzdem gibt es auch durchaus gute Argumente, dass Bodybuilding als Wettkampf nicht die Kriterien erfüllt, um wirklich als Sport bezeichnet zu werden.

 

Aber keine Sorge, die Wissenschaft ist zur Stelle, um die wirklich wichtigen Fragen zu klären und diese Debatte ein für alle Mal zu klären. Also ja, es gibt wirklich zwei Studien, die sich mit diesem Thema auseinandergesetzt haben! Und die schauen wir uns jetzt mal an…

 

 

Contra

Die erste Arbeit stammt von Istvan Aranyosi und stammt aus dem Jahre 2017. Der Autor argumentiert in dieser, dass Bodybuilding kein Sport sei, weil es nicht auf der Ausübung einer “skillful activity” basiere, also nicht eine spezifische, antrainierte Fertigkeit über Erfolg oder Misserfolg entscheide.

 

Laut Aranyosi kennzeichnen sich physische Sportarten grundsätzlich durch folgende Merkmale:

  1. Sie beinhalten Aktivität, sind also nicht passiv.
  2. Sie erfordern eine Fertigkeit, mit der eine Herausforderung überwunden werden soll. Der Grad bzw. die Güte der gezeigten Fertigkeit stellt die Grundlage der Bewertung dar.
  3. Sie enthalten Elemente eines Wettstreits, auch wenn nicht im direkten Vergleich gegen einen Mitbewerber ausgeführt.

 

Ein echter Sport beinhaltet zudem Aktivitäten bzw. Übungen, die sowohl in der Phase des Trainings bzw. Vorbereitung als auch während des Wettkampfes ausgeführt werden. Anders als viele nun vermuten werden, ist das NICHT der Punkt, den Arayosi dem Bodybuilding abspricht. Er erkennt durchaus an, dass insbesondere das Posingtraining dieses Kriterium erfüllt.

 

Aber sein Argument ist, dass diese Fertigkeit nicht die Grundlage der Bewertung darstellt, sondern dass diese sich ausschließlich anhand des “Looks” ergibt, weshalb das Kriterium der trainierten und ausgeübten Fertigkeit nicht erfüllt sei. Bewertet würden ausschließlich Muskelmasse, Symmetrie und Form, aber keine bestimmte Fertigkeit.

 

Außerdem geht der Autor noch auf häufig genannte Argumente ein, die dafür sprechen, dass Bodybuilding ein Sport sei.

 

Unter anderem widmet er sich dem Training als grundlegende Voraussetzung für Erfolg in einer Sportart. Dem widerspricht er in Bezug auf Bodybuilding dahingehend, dass dieser Erfolg – im Gegensatz zu Aktivitäten wie dem Powerlifting oder Laufen – nicht nach Qualität und Quantität der Trainingsaktivität zu ermessen sei, sondern ausschließlich anhand der genetischen Voraussetzungen.

 

Was das Posing angeht, so meint er, dass im Wettkampf nicht das Posing an sich bewertet würde, sondern nur die dadurch zur Schau gestellte Muskulatur. Da das Ziel von Posing sein, letztlich in einer guten Endpose zu sein und diese rein statisch sei, erfülle Posing deshalb auch nicht das Kriterium, dass ein Sport Aktivität erfordere.

 

Grundsätzlich unterscheidet er auch Bodybuilding von anderen Varianten des Kraftsports dahingehend, dass beispielsweise im Powerlifting das Training außerhalb der Wettkämpfe einen direkten Bezug zur Leistung, die bei den Wettkämpfen gefordert wird, aufweist. Währenddessen spielten das Training, die verwendeten Techniken und das Fachwissen zu Training und Ernährung im Bodybuilding bei den Wettkämpfen selbst keine Rolle.

 

Seine Schlussfolgerung lautet, dass Bodybuilding alles in allem nicht die wesentlichen Kriterien erfüllt, die einen echten Sport kennzeichnen, sondern stattdessen eher als Kunstform oder Schönheitswettbewerb betrachtet werden sollte.

 

Bodybuilding als Schönheitswettbewerb statt als Sport

 

Pro

Dem widersprechen Kind und Helms in ihrem Artikel, der aktuell nur als Preprint verfügbar ist. In dieser Arbeit gehen die Autoren zunächst auf die wesentlichen Argumente aus Aranyosis Artikel ein. Zwar erkennen Sie die grundsätzlichen Kriterien einer physischen Sportart, wie von Arayosi aufgeführt, durchaus als valide an. Allerdings widersprechen sie seiner Interpretation dieser Kennzeichen in Bezug auf Bodybuilding.

 

So kritisieren sie schon die mehr oder minder Einordnung sportlicher Aktivitäten auf einem Spektrum zwischen “echtem” Sport und Kunst, da diese eher willkürlich sei und verkenne, dass anerkannte Sportarten wie Turnen, Eiskunstlauf oder Synchronschwimmen anhand der von Aranyosi angewandten Charakteristiken ebenfalls eher der Definition von Kunst entsprechen würden. Da diese aber de facto als Sportarten anerkannt werden und als solche z. B. Teil des olympischen Programms sind, erscheine die Abgrenzung von Bodybuilding nicht sinnvoll.

 

Die vermeintliche Subjektivität der Wertungen sei kein Alleinstellungsmerkmal des Bodybuildings, sondern auch Teil anderer Sportarten, etwa der zuvor genannten. Die Objektivität eines Wertungssystems sei deshalb kein echtes Kriterium, sondern dass es sich um einen strukturierten, leistungsorientierten Wettkampf handelt. Zumal die Wertungskriterien im Bodybuilding auch nur bedingt überhaupt als subjektiv zu bezeichnen seien, da diese durchaus eindeutig definiert und deshalb auch nachvollziehbar sind.

 

Des Weiteren argumentieren sie, dass Aranyosi die zentrale Bedeutung des Posings verkenne und diesem Aspekt des Trainings deshalb zu Unrecht abspreche, eine erlernte Fertigkeit zu sein, die über Sieg und Niederlage entscheide. So sei Posing auch keineswegs nur auf die Endpose zu reduzieren und damit auch nicht statisch, sondern eine aktive körperliche Handlung, die erlernt, trainiert und perfektioniert werden müsse und als fließende Bewegung bewertet werde. Deshalb sei Posing durchaus mit den erforderlichen Bewegungsabläufen, die in anderen Sportarten trainiert und ausgeführt werden müssen, vergleichbar.

 

Posing sei schon immer ein wesentlicher Bestandteil des Bodybuildings gewesen und wurde seit jeher intensiv trainiert, da ausgefeiltes Posing es ermögliche, rein genetische Schwächen zu kaschieren und auch einen rein körperlich besser aufgestellten Konkurrenten zu besiegen. Somit werde eben nicht nur das reine körperliche Erscheinungsbild bewertet, sondern die Präsentation spiele ebenfalls eine wesentliche Rolle.

 

Zu guter Letzt gehen sie noch auf das Argument ein, dass das Bodybuilding-Training keine direkte Beziehung mit dem eigentlichen Wettkampf habe, wie von Aranyosi aufgeführt. Stattdessen handele es sich um eine physisch hochgradig fordernde Tätigkeit, die Disziplin und Planung erfordere. Dies gelte besonders im Rahmen einer Wettkampfvorbereitung, da hier das Training zielgerichtet durchgeführt werde, um am Ende das gewünschte Ergebnis als Folge der individuellen Trainings- und Ernährungsplanung zu erzielen. Somit erfülle das Training im Bodybuilding die wesentlichen Kriterien des Sportbegriffs gemäß gängiger Interpretation, und zwar gezielte Leistungssteigerung, körperliche Aktivität und Wettkampforientierung.

 

Kind und Helms kommen jedenfalls zu dem Schluss, dass Bodybuilding durchaus ein Sport sei. Es handele sich um eine körperlich fordernde Disziplin mit zielgerichteter Vorbereitung, individuellen Höchstleistungen, aktivem Wettkampfcharakter und messbaren Erfolgen.

 

Der Einordnung von Bodybuilding als Kunst widersprechen sie insofern, dass eben nicht nur das reine körperliche Erscheinungsbild zähle, sondern die Präsentation ebenfalls eine große Rolle spiele. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Körper tatsächlich einfach nur statisch zur Schau gestellt werden würde. Im Bodybuilding erfolgt die Präsentation aber in einer sportlich-performativen Ausführung, die als solche großen Einfluss auf die Wertung habe.

 

Sportlich-performative Präsentation der Muskeln beim Bodybuilding

 

Ist Bodybuilding nun ein Sport?

Letztlich ist diese Diskussion natürlich auch dann noch eine Frage der Auslegung, wenn man, wie die drei hier aufgeführten Autoren, versucht, wissenschaftliche und semantische Kriterien einzubeziehen. Oder einfacher ausgedrückt: Ob Bodybuilding für dich ein Sport ist oder nicht, kannst du nach wie vor selbst entscheiden. Es gibt eben keine hieb- und stichfesten Daten, auf die man sich berufen kann. Wenn wir uns aber lediglich die aufgeführten Argumente anschauen, dann tendiere ich dazu, die Interpretation von Kind und Helms als in sich schlüssiger und objektiver anzusehen.

 

Aranyosis Behauptung, der Erfolg im Bodybuilding hänge weniger von Quantität und Qualität des ausgeführten Trainings ab, sondern ausschließlich von genetischer Veranlagung, ist selbst dann noch zweifelhaft, wenn man Bodybuilding tatsächlich nicht als Sport sieht. Ja, Genetik spielt eine große Rolle, wenn es darum geht, wer am Ende ganz oben auf dem Treppchen stehen wird. Aber es wäre geradezu naiv anzunehmen, dass dies nicht auch in nahezu jeder anderen Sportart der Fall wäre. Um in einem Sport erfolgreich zu sein, werden die individuellen Gegebenheiten immer ein entscheidender Faktor sein, nicht nur das Training. Und bei vergleichbaren Voraussetzungen wird auch im Bodybuilding immer der gewinnen, der besser, härter und öfter trainiert. Wahrscheinlich hat das Training im Bodybuilding sogar einen größeren Einfluss auf die Ergebnisse als bei anderen Sportarten, in denen man sich noch mehr auf sein reines Talent verlassen kann.

 

Auch was Posingtraining angeht, so unterschätzt Aranyosi dessen Bedeutung erheblich. Zum einen ist das Posing an sich schon ein in den Regelwerken definiertes Wertungskriterium und kann als solches gar nicht als Fertigkeit vollständig ignoriert werden. Und wenn wir uns die gelebte Praxis anschauen, so gibt es durchaus immer wieder Beispiele dafür, welche Auswirkung Posing auf die Wertungen hat. Athleten wie Paul Dillet oder heute Michal Krizanek sind gute Beispiele dafür, wie suboptimales Posing die Ergebnisse negativ beeinflussen kann. Beide sind bekannt dafür, rein physisch zur absoluten Weltspitze zu gehören, aber allein aufgrund ihres schlechten Posings zumeist ein paar Plätze zu verlieren.

 

Und wie von Kind und Helms angesprochen, müssen wir uns auch fragen, wo genau wir die Grenze ziehen. Wenn Bodybuilding wirklich nicht die Definition eines Sports erfüllen würde, dann müsste das auch für viele andere Sportarten gelten, deren Wertungen nicht ganz nüchtern anhand von Zahlen zu erfassen sind.

 

Wenn wir uns der Frage widmen, ob Bodybuilding nicht eher ein Schönheitswettbewerb wäre, dann können wir diese im Prinzip beantworten, indem wir Aranyosis Argumentation auf diese anwenden. Dann stellen wir auch fest, dass ein Schönheitswettbewerb die Kriterien tatsächlich wesentlich unstrittiger nicht erfüllt. So basiert die Bewertung in einem Schönheitswettbewerb tatsächlich fast ausschließlich auf genetischen Voraussetzungen, die sich nicht durch sportliche Aktivität und Training beeinflussen lassen. Ein Körper kann durch Sport trainiert und geformt werden, die Struktur eines Gesichtes, die Beschaffenheit der Haare oder die Anordnung der Zähne dagegen nicht. Zwar kann man auch hier Einfluss nehmen, aber nicht oder nur bedingt durch physisches Training. Und auch wenn bei vielen Schönheitswettbewerben der Körper durchaus eine Rolle spielt, so ist er eben nicht das alleinige Subjekt der Bewertung.

 

Zumal die Wertungskriterien bei einem Schönheitswettbewerb weniger klar und nachvollziehbar definiert sind als im Bodybuilding, wo sich Faktoren wie Masse und Definition durchaus objektiv evaluieren lassen. Des Weiteren spielt bei einem Schönheitswettbewerb der Faktor der Präsentation eine deutlich untergeordnete Rolle und bedarf prinzipiell keines besonderen Trainings, zumindest nicht annähernd in dem Maß, wie es im Bodybuilding der Fall ist.

 

Am Ende muss natürlich jeder für sich selbst entscheiden, ob Bodybuilding für ihn ein Sport ist oder nicht und auch die Diskussionen im Forum werden damit sicher nicht beendet sein. Aber zumindest ist es mal interessant, dieses Thema aus einem wissenschaftlichen Blickwinkel zu betrachten und sich die Argumente für und wider anzuschauen. Aber viele, die Bodybuilding kategorisch absprechen, ein Sport zu sein, sollten sich auch vielleicht fragen, ob ihre Definition nicht einfach zu eng gefasst ist.

 

Aber was ist deine Meinung? Ist Bodybuilding ein Sport oder nicht? Sage es uns hier!

 

Quellen:

  1. Aranyosi (2017): Body, Skill and Look: Is Bodybuilding a Sport?
  2. Kind, Helms (2014): Is Bodybuilding a Sport?
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