Warum Bodybuilder schwach sind…
…und Powerlifter keine Muskeln haben

Onkel Günther hatte Recht, als er dir damals an Weihnachten nach seinem 7. Weizen erklärt hat, dass Bodybuilder in Wirklichkeit nur Luft in den Muskeln und dementsprechend auch keine echte Kraft hätten. Und wenn du bisher noch Zweifel am Wahrheitsgehalt von Günthers Weisheiten hattest, dann reicht ein Blick in die Kommentarspalten diverser Social‑Media‑Beiträge, in denen dir unzählige Experten erklären, dass Bodybuilder in Wirklichkeit Schwächlinge sind und diese mit Häme geradezu überschütten.

 

Ja, du magst große Muskeln haben und siehst deshalb aus, als wärst du stark. Aber diese Muskeln sind eben nur Show und nicht funktionell. Wenn es um richtige Kraft geht, dann schneiden Pumper jedenfalls schlecht ab verglichen mit Menschen, die ihre Muskeln durch harte Arbeit aufgebaut haben, wie z. B. Bauarbeiter oder Möbelpacker.

 

Besonders deutlich wird der Unterschied aber, wenn man Bodybuilder mit Kraftdreikämpfern, neudeutsch auch Powerlifter genannt, vergleicht. Powerlifter haben entweder den Körperbau eines Kastanienmännchens oder den eines Walrosses, aber gemeinsam haben sie alle, dass sie zwar weniger Muskeln als ein durchschnittlicher Grundschüler, dafür aber die Kraft einer Hydraulikpresse haben.

 

Damit sollte die Sache klar sein: Bodybuilder sind schwach und Powerlifter haben keine Muskeln, aber dafür sind sie eben wirklich stark… oder doch nicht? Finden wir es in diesem Beitrag heraus!

 

(Diesen Text zu lesen, fällt dir schwerer als dein letzter 1RM-Versuch? Dann schau dir alternativ einfach unser unten verlinktes Video an!)

 

 

Ein paar einleitende Worte

Tatsächlich ist oben genannte Theorie noch immer wesentlich verbreiteter, als man als vernunftbegabter Mensch eigentlich annehmen sollte. Ich kann dir jedenfalls versichern, dass Bodybuilder viel, viel stärker sind als die Durchschnittsperson. Die Betonung liegt hierbei auf “Durchschnitt”, denn ich bin mir durchaus bewusst, dass es auch genetische Freaks gibt, die mit 8 Kilo zur Welt kommen, als Babys lieber mit Backsteinen statt mit Bauklötzen spielen und mit 6 Jahren für ihre Eltern einen Pflug ziehen.

 

Aber erstens sind diese genauso außergewöhnlich wie 12‑jährige Schachgroßmeister und zweitens wären auch diese nochmal erheblich stärker, wenn sie anfangen würden, mit Gewichten zu trainieren. In der Tat sind es genau diese Ausreißer, die später die Elite in Sportarten wie Strongman, Powerlifting oder eben Bodybuilding bilden. Es mag für dich jetzt ein Schock sein, aber es besteht nun mal ein direkter Zusammenhang zwischen Muskelmasse und Kraft, und deshalb bedeuten mehr Muskeln auch mehr Kraft, immer.

 

Ein Bauarbeiter, der durch seine Arbeit angeblich stärker als ein Bodybuilder ist.
Wenn du wirklich glaubst, er hier wäre stärker als der durchschnittliche Bodybuilder, dann hättest du in deiner Kindheit die Uhu‑Flasche vielleicht mehr zum Basteln und weniger zum Schnüffeln benutzen sollen.

 

Deshalb ist es genauso falsch anzunehmen, Powerlifter hätten keine Muskeln. Tatsächlich sind einige Weltklasse‑Powerlifter außergewöhnlich muskulös und könnten sich auch jederzeit auf eine Bodybuilding‑Bühne stellen, ohne optisch allzu sehr abzufallen. Und wenn wir von Athleten aus den oberen Gewichtsklassen und insbesondere Strongman sprechen, dann tragen diese oftmals sogar deutlich mehr Muskelmasse mit sich herum als nahezu jeder Bodybuilder, nur ist diese dann eben meist unter einem ausgeprägten Speckmantel verborgen und deshalb weniger sichtbar.

 

Und zugegeben, es gibt auch durchaus Kraftsportler, die tatsächlich eher filigran gebaut sind und trotzdem beeindruckende Gewichte bewegen. Und keine Sorge: Auch dazu kommen wir später noch. Aber zunächst einmal wollen wir klären, woher die Missverständnisse kommen und was es tatsächlich damit auf sich hat.

 

Der Mythos von “funktionellen” Muskeln

Wenn es darum geht, warum Bodybuilder anscheinend weniger stark wären, als sie aussehen, dann werden gerne Anekdoten zum Besten gegeben, wie dass Kerle mit massig Muskeln auf der Baustelle nach zwei Stunden Zementsäcke schleppen die Luft ausgeht, während der 50-jährige Polier dabei kaum ins Schwitzen kommt. Aber eine bestimmte Tätigkeit über einen längeren Zeitraum auszuführen, erfordert per Definition eben eher Ausdauer und nicht Kraft. Und es stimmt: Wenn es um Ausdauer geht, dann ist übermäßige Muskulatur eher hinderlich.

 

Muskeln verbrauchen eine Menge Energie und stellen außerdem zusätzliches Gewicht dar, das erst einmal bewegt werden muss. Es hat schon seinen Grund, warum Athleten aus Ausdauersportarten (etwa Marathonläufer) erheblich weniger muskulös sind als z. B. Sprinter. Aber nochmal: Kraft und Ausdauer sind eben grundlegend verschiedene Dinge und erfordern ganz andere Voraussetzungen. Wenn es aber um tatsächliche Kraft geht, also die Fähigkeit, sehr schwere Gegenstände zu bewegen, dann bringt zusätzliche Muskulatur definitiv einen Vorteil. Und dabei macht es keinen Unterschied, wie diese Muskulatur aufgebaut wurde.

 

Ein Muskel hat grundsätzlich erst einmal nur zwei Funktionen: Er kann kontrahieren, also sich zusammenziehen, oder expandieren, also sich wieder ausdehnen – das ist alles. Die Definition eines “funktionellen” Muskels ist also schon grundlegend falsch.

 

Es gibt zwar durchaus zwei verschiedene Typen von Muskelfasern, und zwar Typ 1, auch genannt Slow‑Twitch‑Fasern, und Typ 2, auch Fast‑Twitch‑Fasern genannt. Dementsprechend könnte man deshalb annehmen, dass die Zusammensetzung eines Muskels bestimmt, ob ein Muskel besonders groß aussieht oder tatsächlich stark ist. Aber das ist eben falsch. Typ 1‑Muskelfasern haben den Vorteil, weniger schnell zu ermüden und sind daher eher für Ausdauerleistungen ausgelegt, während Typ 2‑Muskelfasern hauptsächlich für die Bereitstellung maximaler, explosiver Kraftleistungen verantwortlich sind. Nur ist die Sache eben die: Diese Typ-2‑Muskelfasern, also die, die für die allgemeingültige Definition von Kraft sorgen, sind auch genau die Muskelfasern, die ein erhebliches Potenzial für Hypertrophie, also Muskelwachstum, besitzen. Ein größerer Muskel wird dementsprechend auch stärker entwickelte Typ‑2‑Muskelfasern aufweisen und folglich auch zu einem größeren Kraftoutput imstande sein.

 

Also nein, die Muskeln von Bodybuildern sind nicht einfach nur aufgepumpt und bestehen ganz sicher nicht aus Luft, zumindest wenn wir von durch echtes Training erzeugten Muskeln sprechen und nicht von irgendwelchen Vollidioten, die sich Motoröl in den Bizeps spritzen, um vermeintlich wie ein Bodybuilder auszusehen.

 

Ein Bodybuilder präsentiert seinen peinlichen Synthol-Arm.
Ob der Kollege hier wirklich stark ist, darf durchaus bezweifelt werden…

 

Und jeder, der schon mal einen echten Bodybuilder im Training gesehen hat bzw. gesehen hat, welche Gewichte dieser zum Teil durch die Gegend schubst, wird auch Schwierigkeiten haben, seine These vom schwachen Bodybuilder weiter aufrechtzuerhalten. Klar, es gibt auch zwischen Bodybuildern starke Unterschiede in Sachen Körperkraft, aber selbst schwache Bodybuilder bewegen noch Gewichte, die ein untrainierter Mann nicht mal aus der Ablage heben könnte. Und die stärksten Bodybuilder sind in Sachen Kraftleistungen oft auf dem Niveau von Elite‑Powerliftern, und es gibt sogar Athleten wie Stan Efferding, Johnny Jackson oder Larry Wheels, die in beiden Disziplinen erfolgreich sind.

 

Also nein, Bodybuilder sind alles andere als schwach, und tief in ihrem Inneren ist das auch fast jedem bewusst. Genau aus diesem Grund würdest du auch nie auf die Idee kommen, deine abstruse Theorie vom schwachen Bodybuilder tatsächlich auf die Probe zu stellen, wenn du auf deinem Dorffest beschwipst einen 120‑Kilo‑Mutanten anrempelst.

 

Warum sind Powerlifter stärker als Bodybuilder?

Kommen wir nun zu der Aussage, dass Powerlifter so viel stärker wären als Bodybuilder bzw. ob das überhaupt stimmt. Im Powerlifting geht es darum, möglichst schwere Gewichte in den Disziplinen Kniebeugen, Bankdrücken und Kreuzheben für eine einzige Wiederholung zu bewegen. Und ja, wenn es allein um diese Übungen geht, dann wird ein Elite‑Powerlifter auch den stärksten Bodybuildern überlegen sein, zumindest wenn diese ein vergleichbares Körpergewicht haben.

 

Aber Powerlifter sind eben auch nur in diesen Übungen wirklich stärker als Bodybuilder, und auch das oft nur, wenn es um das wirkliche Maximalgewicht geht. Die Sache ist nun mal die: Kraft hängt auch sehr stark mit Spezifikation zusammen. Zwar hat allgemeine Kraft auch immer einen gewissen Übertrag; um aber in einer bestimmten Übung echte Weltklasse‑Leistungen zu erbringen, muss man diese oft, schwer und zielgerichtet trainieren. Und Powerlifter trainieren eben ausschließlich mit dem Ziel, in genau diesen drei Übungen maximal stark zu werden. Wenn du stattdessen Übungen vergleichst, die ein Powerlifter nicht regelmäßig ausführt, ist es sehr wahrscheinlich, dass der Kraftunterschied in diesen weit weniger groß ausfällt oder überhaupt nicht mehr vorhanden ist.

 

So wird ein guter Powerlifter zum Beispiel in der Regel stärker in der Kniebeuge sein als ein Bodybuilder, weil dieser diese Übung seltener oder in manchen Fällen überhaupt nicht trainiert. Geht es aber zum Beispiel um Langhantel‑Curls, Klimmzüge oder sogar die Beinpresse, dann sieht die Sache meist schon ganz anders aus.

 

Ein starker Bodybuilder absolviert Bizepscurls.
Geht es um die wirklich wichtigen Dinge im Leben – also beispielsweise ein paar gute Pumpsätze für den Bizeps – kann der Bodybuilder den Powerlifter in der Regel locker outperformen.

 

Und das lässt sich auch begründen, wenn du dir anschaust, welche Faktoren für Kraftleistungen bei bestimmten Übungen eine Rolle spielen. Da wäre zum einen die Muskelmasse. Wie wir bereits geklärt haben, bedeutet mehr Muskulatur auch zwangsläufig mehr Kraft. Auch bei Powerliftern wird immer der mit mehr Muskeln stärker sein, sofern alle anderen Faktoren identisch sind.

 

Aber Muskulatur ist eben nicht der einzige Faktor, und es ist durchaus möglich, stärker zu werden, ohne zusätzliche Muskulatur aufzubauen. So spielen zum Beispiel auch neurologische Anpassungen eine große Rolle, wenn es darum geht, wie viel Kraft eine Person entfalten kann. Gemeint ist damit die Fähigkeit des zentralen Nervensystems, die Muskelfasern maximal und zielgerichtet zu aktivieren. Und indem man oft mit sehr schweren Gewichten arbeitet, trainiert man das ZNS darauf, das immer besser zu bewerkstelligen.

 

Ein weiterer Faktor ist die Technik. Ein Bodybuilder interessiert sich nicht wirklich dafür, wie viel Gewicht er bei seinen Übungen verwendet; ihm geht es eher darum, dass die beteiligten Muskeln möglichst isoliert und hart arbeiten müssen, um sie zum Wachsen zu bringen. Deshalb wird er sogar eher versuchen, eine Übung möglichst schwer zu machen. Bei Powerliftern ist das Gegenteil der Fall: Hier dient die Technik einzig und allein dazu, ein möglichst hohes Gewicht zu bewegen. Das tun sie, indem sie zum Beispiel versuchen, den Weg, den das Gewicht zurücklegen muss, möglichst zu verkürzen und zudem so viele Muskeln wie möglich bei der Übung zu involvieren. Das bedeutet in der Praxis, dass viele Powerlifter sich beim Bankdrücken verrenken wie ein Schlangenmensch, um den Hantelpfad maximal zu verkürzen und die Bewegung mit den Beinen zu unterstützen.

 

Dies hängt auch mit dem letzten Faktor zusammen, den Hebeln. Wir hatten eingangs kurz angesprochen, dass es auch Powerlifter gibt, die tatsächlich optisch ziemlich dünn erscheinen und trotzdem gewaltige Gewichte bewegen können. Der Grund dafür sind oftmals vorteilhafte Hebel. Besonders deutlich wird das beim Kreuzheben, bei dem Muskelmasse deshalb auch tatsächlich eher eine geringere Rolle spielt als bei anderen Übungen. Hast du zum Beispiel so lange Arme, dass du dir im Stehen die Schuhe zubinden kannst, dann musst du die Hantel insbesondere beim Sumo‑Heben nur noch ein paar Zentimeter weit ziehen und startest zudem mit annähernd aufrechtem Oberkörper, was die Kraftübertragung erheblich erleichtert.

 

Und natürlich ist auch die Trainingsplanung ein Faktor

Grundsätzlich unterscheidet sich das Training mit dem Ziel des Kraftaufbaus vom Training für Muskelwachstum tatsächlich weniger als viele Menschen glauben. Was ich damit meine, ist, dass auch bei einem kraftorientierten Training immer Muskeln aufgebaut werden und du umgekehrt beim klassischen Hypertrophietraining auch immer stärker werden wirst.

 

Ein paar Unterschiede gibt es aber schon. Neben der Übungsauswahl liegt der Hauptunterschied in den absolvierten Wiederholungsbereichen. So werden Powerlifter oft mit geringen Wiederholungszahlen von eins bis fünf Reps arbeiten, während Bodybuilder eher im klassischen Hypertrophiebereich von sechs bis fünfzehn Wiederholungen trainieren. Wie bereits besprochen, erfolgt Kraftaufbau immer spezifisch, und das bedeutet, dass beide auch in den Wiederholungsbereichen am stärksten sind, in denen sie die meiste Zeit trainieren.

 

Ein schönes Beispiel dafür liefert das legendäre Squat‑Off zwischen dem für seine extrem stark entwickelten Beine bekannten Bodybuilder Tom Platz und der Powerlifting‑Legende Dr. Fred Hatfield. Beide traten auf der FIBO 1992 in einem Kniebeugen‑Wettbewerb gegeneinander an. Gewertet wurde dabei in zwei Kategorien. In der ersten ging es um einen Maximalversuch, also wer mehr Gewicht für eine einzige Wiederholung bewältigen kann. Wenig überraschend ging diese Runde an Hatfield, der 855 Pfund, also 387 Kilo, bewältigte, während Platz nur 765 Pfund, oder 346 Kilo, schaffte. In der zweiten Runde ging es darum, wer mehr Wiederholungen mit 525 Pfund bzw. 238 Kilo schafft. Hatfield kam hier am Ende auf respektable 11 Wiederholungen. Platz jedoch, der bekannt dafür war, mit hohen Wiederholungszahlen zu arbeiten, konnte sage und schreibe 23 Reps, also mehr als doppelt so viele, ausführen. Hier zeigte sich das Prinzip der Spezifikation also sehr deutlich.

 

Und warum haben Powerlifter weniger Muskeln?

Stimmt, das müssen wir ja auch noch klären. Also zunächst haben wir ja schon etabliert, dass das nur bedingt stimmt. Viele Powerlifter haben tatsächlich sehr viele Muskeln, und wenn wir von den Athleten der hohen Gewichtsklassen oder gar den Monstern aus dem Strongman‑Bereich sprechen, dann haben diese oft sogar mehr Gesamtmuskelmasse als die meisten Bodybuilder.

 

Hafthor Björnsson zum Beispiel ist 2,06 m groß, wiegt um die 200 Kilo und ist dabei zwar nicht lean, aber eben auch bei weitem noch nicht fett. Man kann also davon ausgehen, dass der Großteil seines Gewichts aus Muskelmasse besteht. Das wurde auch deutlich, als Hafthor für einen Boxkampf stark abgenommen hatte und dann lean und mit definiertem Sixpack antrat, dabei aber immer noch um die 150 Kilo wog. Hinzu kommt, dass er während dieser Phase kaum noch Widerstandstraining ausführte und zudem vermutlich auch seinen Steroidkonsum erheblich reduziert hatte. Und trotzdem war er noch erheblich schwerer als die meisten Athleten beim Mr. Olympia, die in der Regel mit einem Gewicht zwischen 110 und 135 Kilo auf die Bühne gehen.

 

Ein definierter und sichtlich muskulöser Hafthor Björnsson im Boxkampf-Ring.
Sixpack bei 150 Kilo Körpergewicht: Hafthor Björnsson bei einem Boxkampf-Event.

 

Der Unterschied liegt also weniger in der Muskelmasse per se, sondern vielmehr daran, dass diese bei Kraftathleten meist unter einer Fettschicht verborgen und damit weniger sichtbar ist, weil ein höherer Körperfettanteil in Bezug auf Kraft eben Vorteile bietet. Hinzu kommt, dass manche Muskeln für Kraftsportler nur eine untergeordnete Rolle spielen, weil sie bei den meisten ausgeübten Disziplinen kaum involviert werden. Dazu gehört zum Beispiel auch der Bizeps, dem Show‑Muskel überhaupt. Bei den Schwergewichten ist es also eher der Körperfettanteil und einzelne Muskelpartien, die dafür sorgen, dass Powerlifter optisch weniger muskulös wirken als Bodybuilder, obwohl sie es in Wirklichkeit gar nicht sind.

 

Aber wenn mehr Muskeln mehr Kraft bedeuten, wieso gibt es dann trotzdem Powerlifter, die nicht besonders muskulös aussehen, obwohl sie einen niedrigen KFA haben? Dazu musst du Folgendes verstehen: Im Powerlifting gibt es Gewichtsklassen und ein Athlet wird immer versuchen, in der Klasse anzutreten, in der er die besten Chancen hat. Innerhalb dieser Gewichtsklasse wird deshalb auch ein Powerlifter versuchen, das Maximum an Muskelmasse aufzubauen und sich dann durch Entwässern und andere Tricks trotzdem noch in die Gewichtsklasse zu drücken. Dasselbe Vorgehen wird auch in den meisten Kampfsportarten verwendet.

 

Wenn man nun so viel Muskulatur aufgebaut hat, dass man in eine höhere Gewichtsklasse aufsteigt, dann macht das nur Sinn, wenn man in dieser neuen Klasse auch konkurrenzfähig ist. Da aber die Kraftstandards in einer höheren Klasse zum Teil erheblich ansteigen, macht es für viele Athleten mehr Sinn, sich weiterhin innerhalb des Gewichtslimits zu bewegen und statt Muskeln aufzubauen eher über die Stellschrauben Technik und neurologische Adaptionen ihre Leistungen zu verbessern.

 

Andere Faktoren

Im Wesentlichen haben wir nun geklärt, warum Bodybuilder vermeintlich schwächer und Powerlifter vermeintlich weniger muskulös sind. Es gibt aber neben den genannten auch noch andere Faktoren, die für diesen Trugschluss verantwortlich sind. So neigen wir bei diesen Vergleichen immer dazu, die jeweilige Elite beider Sportarten miteinander zu vergleichen. Wie bei allen anderen Sportarten auch rekrutiert sich die Weltspitze bei beiden Disziplinen ausschließlich aus Personen, welche die idealen genetischen Voraussetzungen dafür haben. Wenn jemand also im Fitnessstudio eine Hantel nur anschauen muss und ihm davon schon der Ärmel platzt, dann wird diese Person eher in Erwägung ziehen, Bodybuilder zu werden.

 

Wenn jemand auf der anderen Seite kaum Muskeln aufbaut, dafür aber jeden im Studio in Grund und Boden drückt oder hebt, dann wird dieser vermutlich eher zum Powerlifting tendieren. Das führt dazu, dass du auf höchstem Niveau im Bodybuilding nur Personen hast, die besonders gut Muskeln aufbauen können, während es im Powerlifting nur besonders starke Individuen sind. Deshalb hinkt der Vergleich zwischen Elite‑Bodybuildern und Elite‑Powerliftern letztlich genauso wie der Vergleich zwischen Lang‑ und Kurzstreckenläufern. Am Ende ist der Bodybuilder nicht unbedingt muskulöser, weil er Bodybuilding macht, sondern er macht Bodybuilding, weil es ihm leichter fällt, muskulös zu werden – und umgekehrt. Schaut man sich die Athleten an der Basis, also zum Beispiel bei regionalen Meisterschaften an, dann ist der Unterschied schon wesentlich schwächer ausgeprägt.

 

Und natürlich müssen wir auch das Thema Steroide ansprechen. Wie allgemein bekannt sein sollte, ist Stoff im Bodybuilding in etwa so verbreitet wie eine Essstörung unter Supermodels. Es gibt zwar auch naturales Bodybuilding, dieses stellt allerdings schon eine absolute Nische innerhalb der Szene dar, und selbst da sind nicht alle Athleten zwingend dopingfrei.

 

Im Powerlifting sieht die Sache etwas anders aus. Die IPF als der international größte und renommierteste Powerlifting‑Verband lässt ihre Athleten regelmäßig und unangekündigt testen und ist also in Sachen Dopingprävention vermutlich einer der restriktivsten Sportverbände überhaupt. Ich will natürlich nicht ausschließen, dass sich diese Tests austricksen lassen und trotzdem einige Athleten heimlich nachhelfen, aber zumindest werden diese nicht annähernd auf dem Niveau stoffen wie die wandelnden Apotheken der IFBB, die überhaupt keine Tests machen müssen.

 

Wenn wir also Powerlifter und Bodybuilder vergleichen, vergleichen wir oft auch Nattys mit Menschen, die sich grammweise Anabolika reinpfeifen. Das soll jetzt natürlich nicht heißen, dass nicht auch im Powerlifting gestofft wird, bis die Schwarte kracht. Neben der IPF gibt es auch jede Menge Verbände, die keine Tests durchführen. Und wenn wir von Strongmen, also den Monstern beim World’s Strongest Man sprechen, dann würden wohl nur Leute, die nigerianischen Prinzen helfen, ihr Vermögen in Sicherheit zu bringen, denen abnehmen, dass sie wirklich sauber wären.

 

Aber was Laien eben nicht verstehen, ist, dass Stoff nicht gleich Stoff ist. Es gibt unzählige verschiedene Substanzen, die jeweils andere Eigenschaften haben und unterschiedliche Ergebnisse hervorbringen. So werden Bodybuilder hauptsächlich Komponenten nutzen, die ihre Muskeln maximal wachsen lassen und ihren Körperfettgehalt senken können, während Powerlifter und Strongmen eher solche verwenden, die Kraft maximieren.

 

Also selbst ein Powerlifter, der tatsächlich Stoff verwendet, wird deshalb trotzdem nicht den Look eines Bodybuilders haben, weil sie einfach unterschiedliche Stoffe nutzen, die auf ihre jeweiligen Ziele abgestimmt sind.

 

Fazit

Auch wenn erstaunlich viele Menschen das noch immer zu glauben scheinen, so sind Bodybuilder keineswegs schwach, sondern im Vergleich zu Ottonormalbürgern geradezu freakig stark. Und auch dass Powerlifter keine Muskeln haben ist ein Klischee, das mit der Realität nur bedingt zu tun hat.

 

Was stimmt, ist, dass Powerlifter tatsächlich stärker sind als anatomisch vergleichbare Bodybuilder. Aber eben meist auch nur in den drei Disziplinen, die sie quasi täglich trainieren und auch nur im sehr niedrigen Wiederholungsbereich. Das ist aber nur bedingt der tatsächlichen Kraft geschuldet, sondern resultiert einfach aus einer Spezialisierung auf eine bestimmte Tätigkeit. Und dass man in einer Sache besser wird, wenn man sie oft und gezielt trainiert, sollte nun wirklich niemanden überraschen.

 

Bleibt noch die Frage, warum diese Klischees noch immer so weit verbreitet sind. Der Grund dafür ist vermutlich der gleiche, warum viele Personen Bodybuildern gegenüber grundsätzlich so hämisch sind. Vermutlich handelt es sich einfach um einen Selbstschutzmechanismus. Man redet eine andere Gruppe schlecht, um sich selbst besser zu fühlen. In dieselbe Kerbe schlagen Phrasen wie “Geld macht nicht glücklich” oder “Es kommt nicht auf die Größe an“.

 

Und an sich wäre das ja auch kein Problem, wenn wenigstens alle konsequent wären in ihrer Überzeugung. Aber spätestens wenn es darum geht, eine Couch in den vierten Stock eines Altbaus zu schleppen, wirkt der Bodybuilder im Freundeskreis in etwa so attraktiv wie ein nacktes Unterwäschemodel in einem pakistanischen Gefängnis.

 

Ich hoffe, dir hat dieser Text gefallen. Wenn ja, dann like und kommentiere doch auch gern unser Video zu dem Thema:

 

Warenkorb
Nach oben scrollen