Hypertrophy Specific Training
HST Classic nach Dr. Bryan Haycock
Mit Hypertrophie-spezifischem Training wirst du in kurzer Zeit Kraft aufbauen und signifikant an Muskulatur zulegen. Im Gegensatz zu vielen anderen Systemen basiert HST auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und konnte gleichzeitig in der Praxis in Bezug auf Effektivität empirisch eindeutig untermauert werden.
Betrachtet man die Gesamtheit aller Trainingspläne und die zugrunde liegenden Trainingssysteme, so stellen wir eine einfache und offensichtliche Gemeinsamkeit fest: die Unterteilung in Einheiten, Übungen, Sätze, Wiederholungen und das zu bewegende Gewicht. Abgerundet wird diese Systematik mit der Beantwortung der Frage, wie häufig bis zum Muskelversagen trainiert wird und unter Umständen, ob Intensitätstechniken wie erzwungene Wiederholungen, Abfälschen oder Drop-Sets und dergleichen zum Einsatz kommen. Von einem abstrakten Standpunkt aus betrachtet sind das die Dimensionen, aus denen jeder Trainingsplan im Bodybuilding und Kraftsport zusammengesetzt ist.
Mechanismen der Hypertrophie
Das Ziel jedes Trainings ist die Stimulation der Hypertrophie, also der Zunahme des Muskelquerschnitts. Doch auf welchem wissenschaftlichen Fundament beruhen die, fast schon dogmatisch überlieferten, Trainingspläne und -systeme, die wir schon zum Teil seit etlichen Jahren ausführen und uns ein optimales Muskelwachstum versprechen. Diese Frage hat sich auch der US-amerikanische Wissenschaftler und Bodybuilder Dr. Bryan Haycock gestellt. Betrachtet man aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse, so können folgende 3 Punkte zusammengefasst werden, die Hypertrophie-relevant sind. Hierbei sind die Kriterien nach absteigender Wichtigkeit sortiert.
- An dieser Stelle definieren wir erstmal den Begriff Satellitenzelle. Es handelt sich hierbei um Muskelstammzellen, die noch nicht vollständig entwickelt sind und sich, im Gegensatz zur erwachsenen Muskelfaser, teilen können. Satellitenzellen sind also der Grund dafür, dass sich unsere Muskelfasern regenerieren und wachsen können. Damit es zu Hypertrophie kommt, müssen sie folglich a) aktiviert werden, b) sich differenzieren (ausentwickeln), c) mit existierenden Muskelzellen fusionieren und d) letztlich ihre Zellkerne abgeben.
- Ein weiteres Kriterium für Hypertrophie ist die sogenannteMechanotransduktion. Definitionsgemäß bedeutet dies nichts anderes, als dass mechanischer Stress in die Muskelzelle übertragen werden muss. Als Folge davon erfolgt die Synthese und Expression von kontraktilen und cytoskeletalen Proteinen. Als Expression bzw. Genexpression ist in diesem Kontext die Biosynthese von Proteinen auf der Grundlage spezifischer genetischer Information zu verstehen. Cytoskeletal leitet sich von Cytoskelett ab und beschreibt ein aus Proteinen aufgebautes Netzwerk im Cytoplasma.
- Es muss ein saures Milieu durch die Erniedrigung des pH-Wertes mittels Erhöhung des oxidativen Stresses erreicht werden. Dieser Punkt wird als Metabolic Pathway bezeichnet und lässt den aufmerksamen Leser intuitiv an das bekannte “Brennen” im Muskel denken. Und tatsächlich handelt es sich hierbei um eine anaerobe und laktazide Belastung.
An dieser Stelle kann eine Entwarnung ausgesprochen werden. Der Schwerpunkt des folgenden Textes wird sich von nun an sukzessive mehr den praktischen Aspekten des Hypertrophie-spezifischen Trainings widmen. Auch möge der neugierige und aufmerksame Leser Nachsicht haben, dass nicht jeder der oben erwähnten Fachbegriffe umfassend erläutert wurde. Dies würde schlicht und ergreifend den Umfang dieses Textes sprengen und seine eigentliche Zielsetzung verfehlen.
Stimulation von Hypertrophie
Wir haben an dieser Stelle grob umrissen, welche physiologischen Kriterien vorliegen, die wir von außen betrachtet als “Hypertrophie” bezeichnen. Das ist interessant, aber wir als Sportler interessieren uns insbesondere dafür, wie wir Hypertrophie möglichst effektiv in unserer Muskulatur stimulieren können. Der Übersichtlichkeit halber repräsentiert die folgende Liste, analog in gleicher Reihenfolge, wie der entsprechende Hypertrophie-Mechanismus durch einen von außen ausgelösten Reiz stimuliert wird.
Hypertrophie durch Mikrotraumata
Vielen Sportlern ist der Begriff der Mikrotraumata geläufig. Damit bezeichnen wir minimale, durch intensive Belastung provozierte, Verletzungen im jeweiligen Gewebe. Und genau diese Mikrotraumata sind es, die zum Erfüllen des in Punkt 1) oben beschriebenen Kriteriums erforderlich sind. Hohe Gewichte, exzentrische Kontraktionen, als auch in einem geringeren Umfang der Metabolic Pathway, sind hierfür effektive Wege der Stimulation. Diese Mikrotraumata führen dazu, dass die jeweilige Muskelzelle muskelspezifisches IGF-1 synthetisiert. Besonders zu beachten ist, dass es sich hierbei um einen lokalen Effekt handelt, umliegende Muskelgruppen sind also von diesem erwünschten Effekt nicht betroffen. Für das spätere Verständnis hinter den HST Prinzipien solltest du dir insbesondere merken, dass der IGF-1 Spiegel, sowie die Werte anderer hypertrophie-begünstigender Faktoren, nach 36-48 Stunden wieder auf ihren basalen Level zurückkehren.
IGF ist eine Abkürzung für “insulin-like growth factors”, also insulinähnliche Wachstumsfaktoren. Diese sind für das Wachstum und die Differenzierung von Zellen verantwortlich. Für uns bedeutet das im Kontext von HST einfach, dass es sich hierbei um anabole Mechanismen handelt, die wir effektiv nutzen wollen. Abschließend sei zu diesem Punkt erwähnt, dass sich die Muskelwachstum begünstigenden Faktoren, wie die IGF-1 Werte, aufsummieren können, wenn eine erneute Stimulation innerhalb des 36-48 Stunden Zeitfensters erfolgt. Diesen überaus wichtigen Umstand bezeichnet man als Summationseffekt, welcher im Rahmen von HST eine übergeordnete Rolle spielt!
Diesem Hypertrophie begünstigenden Faktor wirkt der Repeated Bout Effect (kurz RBE) entgegen. Bereits nach 48 Stunden kann eine Resistenz der Muskulatur gegen einen zum Mikrotrauma führenden Stimulus vorliegen, was letztlich zu einer Stagnation der Hypertrophie führt. Durch diese schnelle Adaptionsfähigkeit sinkt die Zahl der Mikrotraumata nach jedem Stimulus, also nach jedem Training, drastisch.
Hypertrophie durch Mechanotransduktion
Mechanotransduktion, also die Übertragung von mechanischem Stress auf die Muskelzelle, wird durch aktive Muskelkontraktion gegen einen Widerstand erreicht. Die Effektivität dieser Stimulation hängt primär vom verwendeten Gewicht und sekundär vom Volumen, also der Anzahl der Wiederholungen, ab. Ein bestimmtes Gewicht 10 mal ausgeführt ist effektiver als gleiches Gewicht 8 mal bewegt. Die Größe des Widerstandes steht im Hinblick auf die Effektivität über der Anzahl der Wiederholungen, es gilt also Gewicht vor Volumen.
Hypertrophie durch Metabolic Pathway
Der Metabolic Pathway, als Hypertrophiefaktor mit der geringsten Effektivität, wird stimuliert, indem die jeweilige Muskulatur solange kontrahiert, bis ein Sauerstoffdefizit entsteht. Hierdurch werden hypoxische Nebenprodukte wie etwa Laktat (Milchsäure) und Sauerstoffradikale synthetisiert. Dies macht sich beim Trainierenden durch ein “Brennen” in der Muskulatur bemerkbar. Hypoxisch leitet sich von “Hypoxie” ab und bedeutet “Sauerstoffmangel”. In diesem Kontext sprechen wir also von einer Muskelkontraktion unter sauerstoffarmen Bedingungen.
Fazit und Ausblick
An diesem Punkt wurden die für einen Sportler bzw. Bodybuilder relevanten Hypertrophie-Mechanismen und Aspekte der Stimulation erläutert. Zugegebenermaßen können die Inhalte bisher als sehr theoretisch und trocken empfunden werden. Nun befinden wir uns aber an einem Punkt, wo wir aus den theoretischen Konstrukten einfache und plausible Prinzipien formulieren können, aus denen sich jedes HST Training sowie jedes HST-Derivat ableiten lässt. Auch werden abschließend Beispiele in Form von Trainingsplänen aufgeführt.
Die 4 Gebote der Hypertrophie
Nun ist die theoretische Grundlage gegeben, um aus dem Verständnis der Mechanismen der Hypertrophie und den zugrunde liegenden Stimulationswegen praktische Prinzipien zu verfassen, die den Grundpfeiler des Hypertrophie-spezifischen Trainings darstellen.
Mechanische Belastung
Die englischsprachige Originalliteratur spricht hierbei von Mechanical Load. Dieses Prinzip besagt einfach, dass ein Muskel mechanisch belastet werden muss. Es muss also unter dem Einsatz eines ausreichend hohen Gewichts Kontraktionsarbeit verrichtet werden. Die Erhöhung der mechanischen Gesamtbelastung sollte primär durch Erhöhung des Gewichts erfolgen. Ist dies nicht mehr möglich, wird auf dem sekundären Pfad die Erhöhung des Gesamtvolumens verfolgt. Dieser Sachverhalt kann anhand des folgenden Beispiels vereinfacht veranschaulicht werden: 100 kg und 10 Wiederholungen sind besser als 90 kg und 10 Wiederholungen. Gleichzeitig sind 100 kg und 12 Wiederholungen besser als 100 kg und 10 Wiederholungen. Dieser Punkt ist naturgemäß eng mit dem Prinzip des Progressive Load verbunden, weshalb es hier argumentative Überschneidungen gibt.
Frequenz der Belastung
Eine mechanische Belastung führt zu signifikanter Hypertrophie, wenn sie mit einer entsprechenden Häufigkeit wiederholt wird (Frequent Load). Dieses Gebot leitet sich unmittelbar aus dem Umstand ab, dass Muskelwachstum begünstigende Faktoren (erhöhte Synthese von Proteinen, IGF-1 Werte usw.) nach 36-48 Stunden wieder ihr Ausgangsniveau erreichen. Um den für die Hypertrophie hoch signifikanten Summationseffekt auszunutzen, muss ein Folgetraining der gleichen Muskelgruppe innerhalb dieses Zeitfensters erfolgen! Ein regelmäßig ausgeführter Ganzkörpertrainingsplan oder alternativ hochfrequenter 2er-Split sind die natürliche Folge bei der Wahl des Trainingsplans.
Progressive Gewichtssteigerung
Durch Mikrotraumata geschädigtes Gewebe ist in der Lage, sich bereits innerhalb von 48 Stunden an die jeweilige Belastung anzupassen. Dieser als Repeated Bout Effect (RBE) bezeichnete Effekt führt zu der HST Regel des Progressive Load. Damit weitere Hypertrophie anregende trainingsinduzierte Mikrotraumata erzeugt werden können, muss das Trainingsgewicht also in einer ähnlichen Frequenz erhöht werden. Wie wir oben gesehen haben, gibt es neben dem Forcieren von Mikrotraumata noch weitere Hypertrophie-Mechanismen, jedoch sind diese von untergeordneter Effektivität.
Strategische Dekonditionierung
Dem aufmerksamen Leser wird aufgefallen sein, dass der Punkt des Progressive Loads eine natürliche Grenze hat. Niemand von uns ist in der Lage, innerhalb kürzester Zeit das maximale Trainingsgewicht progressiv signifikant zu erhöhen. Wir werden unser derzeitiges Leistungslimit erreichen und als Folge keine signifikanten Mikrotraumata erzeugen können. An dieser Stelle greift ein altes Sprichwort, das besagt, dass man manchmal einen Schritt zurück machen muss, um wieder zwei nach vorn gehen zu können. Für uns bedeutet das im Klartext, dass es Zeit ist für eine strategische Trainingspause von 1 bis 2 Wochen. Da wir den Grad der Konditionierung nicht erhöhen können, senken wir ihn hierdurch signifikant ab. Das hat zur Folge, dass unser Gewebe wieder in Bezug auf mechanische Belastung, mit dem Hervorrufen von Mikrotraumata als Folge, sensibilisiert wird. Sekundär hat eine strategische Dekonditionierung auch den Effekt, unseren passiven Bewegungsapparat ausreichend Zeit zur Regeneration zu lassen. Mit dem Ende der strategischen Dekonditionierung haben wir gleichzeitig das Ende des jeweiligen HST Zyklus erreicht.
Praktische Regeln zur Erstellung eines Trainingsplans
Die 4 oben beschriebenen Gebote lassen sich noch praktikabler formulieren und zwar so, dass sie als praktische Vorgaben zur Erstellung eines HST Trainingsplans fungieren können. An dieser Stelle könnte auch bereits aufgefallen sein, dass der Aufbau dieser Abhandlung eine Entwicklung von theoretischen Grundlagen hin zu einfachen praktischen Leitsätzen abbildet. Dies ist wichtig, da hierdurch ausreichendes theoretisches Verständnis vorliegt, um die Sinnhaftigkeit der einfachen und praktikablen Leitsätze zu verstehen.
Im Folgenden ist die Essenz der HST Prinzipien formuliert. Zuvor möchten wir zwei Begriffe definieren. Als Makrozyklus bezeichnen wir einen gesamten HST Trainingszyklus, welcher mit dem Abschluss der strategischen Dekonditionierung endet. Ein Makrozyklus unterteilt sich in mehrere Mikrozyklen. Im Kontext von HST Classic ist darunter ein 2-wöchiger Trainingszeitraum zu verstehen.
Trainingsgewicht
Das Trainingsgewicht muss von Einheit zu Einheit erhöht oder zumindest konstant gehalten werden. Es darf niemals reduziert werden!
Volumen
Ist das Trainingsgewicht in einer Trainingseinheit oder einem Mikrozyklus bei einer gegebenen Anzahl an Wiederholungen zu hoch, so reduzieren wir das Volumen, also die Anzahl der Wiederholungen. Wir reduzieren niemals das Gewicht, es gilt: Gewicht geht immer vor Wiederholungen! Bei einer Gewichtssteigerung kann es notwendig sein, den Wiederholungsbereich und gegebenenfalls die Anzahl der Sätze anzupassen.
Frequenz
Um den oben beschriebenen Summationseffekt zur Maximierung der Hypertrophie nutzen zu können, muss jede Muskelgruppe mindestens 3 mal pro Woche belastet werden. Als Training eignet sich hierfür ein mindestens 3 mal wöchentlich ausgeführter Ganzkörperplan, oder alternativ ein 2er-Split, der mindestens 6 mal pro Woche ausgeführt wird.
Muskelversagen
Dieser Punkt wird einige eingefleischte Eisensportler womöglich schockieren. Um das zentrale Nervensystem (ZNS) zu schonen und so Übertraining zu verhindern, ist das Trainieren bis zum Muskelversagen (MV) möglichst zu vermeiden. Fakt ist, dass Übertraining kein Effekt ist, der sich aus der Erschöpfung des Muskelgewebes ergibt, sondern eine Folge der Strapazierung des ZNS! Muskelgewebe kann sehr wohl einem erneuten Wachstumsreiz ausgesetzt werden, auch wenn es nicht vollständig regeneriert ist. Würden wir auf der anderen Seite regelmäßig bis zum MV trainieren, so würden wir zwei konkurrierende Prozesse auslösen.
Die positiven Effekte des Summationseffekts im Kontext des anabolen Stoffwechsels würden von den, sich ebenfalls aufsummierenden, negativen Auswirkungen des Übertrainings überlagert werden.
Klassisches HST
Jetzt sind wir an dem Punkt angekommen, an dem wir konkret die Vorgaben spezifizieren werden, die zur Erstellung eines klassischen HST Trainingsplans einzuhalten sind. Zu Beginn sei erwähnt, dass HST zyklisch ausgeführt wird. Ein Makrozyklus, also die gesamte Zykluslänge, dauert üblicherweise 8 Wochen. Dieser Makrozyklus wiederum lässt sich in 4 Mikrozyklen unterteilen.
Auch an dieser Stelle möchten wir einen weiteren Begriff definieren und zwar den des Repetition Maximums, oder zu Deutsch Wiederholungsmaximum, welches mit RM abgekürzt wird. Dieser Umstand ist zur Trainingsplanung von großer Bedeutung, da bei HST vor jedem neuen Zyklus, bzw. vor dem Beginn der strategischen Dekonditionierung, das Ermitteln des RM für verschiedene Wiederholungsbereiche durchgeführt wird. Bei HST Classic wird das 15 RM, 10 RM und 5 RM für die geplanten Übungen ermittelt. Bei Folgezyklen kann auch als Vereinfachung 2,5 kg für Oberkörper- und 5 kg bei Unterkörperübungen auf die jeweiligen RM addiert werden, um das RM für den Folgezyklus abzuschätzen.
Planung des Makrozyklus
Mikrozyklus | Beschreibung | Dauer |
Strategische Dekonditionierung | Trainingspause | 1 bis 2 Wochen |
Erster Mikrozyklus | 2 Arbeitssätze à 15 Wiederholungen
Gewicht steigt bis 15 RM |
2 Wochen |
Zweiter Mikrozyklus | 2 Arbeitssätze à 10 Wiederholungen
Gewicht steigt bis 10 RM |
2 Wochen |
Dritter Mikrozyklus | 2 Arbeitssätze à 5 Wiederholungen
Gewicht steigt bis 5 RM |
2 Wochen |
Vierter Mikrozyklus (optional) | 2 Arbeitssätze à 5 Wiederholungen
5 RM Gewicht konstant |
2 Wochen |
Im vierten Mikrozyklus können auch statt der zwei gewöhnlichen Arbeitssätze pro Übung auch ausschließlich negative Wiederholungen ausgeführt werden. Hierbei wird in jedem Satz konstant das 5 RM als Gewicht verwendet.
Erinnern wir uns an einen HST Grundsatz, der besagt, dass das Trainingsgewicht von Einheit zu Einheit erhöht oder zumindest konstant gehalten werden muss. Als Gewichtssteigerungsrate, oder anders formuliert als Inkrement, wird 5% des jeweiligen RM empfohlen. Um die 5% Inkrementierung besser zu verstehen, nehmen wir als Beispiel die Übung Bankdrücken und gehen davon aus, dass unser 5 RM bei dieser Übung 100 kg betragen würde. 5% von 100 kg sind 5 kg, also steigern wir im dritten Mikrozyklus das Gewicht von Einheit zu Einheit um 5 kg (5%), bis wir unser 5 RM (100%) erreicht haben.
Das wiederum bedeutet aber auch, dass wir im Rahmen der Übungsplanung die Startgewichte für den jeweiligen Mikrozyklus herunterrechnen müssen. Was bedeutet das im Einzelnen? Tatsächlich müssen wir an dieser Stelle festlegen, wie häufig wir pro Woche zum Training gehen, also nehmen wir als Rechenbeispiel einen GK-Plan mit 3 Einheiten die Woche. Hieraus ergeben sich 6 Einheiten pro Mikrozyklus, da ein Mikrozyklus zwei Wochen dauert. In jeder Einheit wollen wir uns um 5%, also im obigen Beispiel um 5 kg, steigern, bis wir letztlich am Ende des Mikrozyklus und damit dem RM angelangt sind. Das ergibt also 5 Gewichtssteigerungen, also die Gesamtzahl der Einheiten im Mikrozyklus minus 1. Das Anfangsgewicht des Mikrozyklus beträgt also:
100 kg – 5 Steigerungen x 5 (kg / Steigerung) = 75 kg (75% des 5 RM)
Die Gewichtswahl beim Bankdrücken im dritten Mikrozyklus sieht demzufolge von Einheit zu Einheit wie folgt aus: 75 kg, 80 kg, 85 kg, 90 kg, 95 kg, 100 kg. Diese Berechnung lässt sich in einer einfachen Formel zusammenfassen:
Startgewicht = 100 % – (Inkrement x (Einheiten – 1))
Mit “Startgewicht” ist hierbei der prozentuale Anteil des jeweiligen RMs in % gemeint, im obigen Beispiel beträgt dieser Wert 75%. “Inkrement” bedeutet in diesem Kontext die Steigerungsrate in %, oben haben wir den empfohlenen Wert von 5% verwendet. “Einheiten” repräsentiert die Anzahl der Einheiten im jeweiligen Mikrozyklus, oben betrug dieser Wert 6, da ein Mikrozyklus 2 Wochen dauert und wir mit 3 Einheiten pro Woche gerechnet haben. Bei 4 Einheiten die Woche würde diese Variable 8 betragen und würde bei einem 5% Inkrement ein Startgewicht von 65% ergeben, denn 65% = 100% – (5% x 7).
Gewichtsüberschneidungen zwischen Mikrozyklen
Erinnern wir uns an das HST Gebot, dass Gewichte von einer Einheit zur nächsten niemals reduziert, sondern höchstens konstant gehalten werden dürfen. Zwischen Mikrozyklen haben wir das Problem, dass wir vom 100% RM des einen Wiederholungsbereichs beispielsweise in das 75% RM des nächstniedrigeren Wiederholungsbereichs übergeben, also etwa beispielsweise von 100% 10 RM zu 75% 5 RM. Gehen wir jetzt einmal von einem 10 RM beim Bankdrücken von 85 kg aus und erinnern uns daran, dass das 75 % des 5 RM im obigen Beispiel 75 kg betrug. An dieser Stelle sollten bei jedem HST-Experten die Alarmglocken losgehen. Das Trainingsgewicht würde also in der letzten Einheit des 10 RM Zyklus 85 kg betragen und anschließend auf 75 kg zu Anfang des 5 RM Zyklus heruntergehen. Und das ist ein gravierendes Problem, welches wir im folgenden Abschnitt lösen werden.
Zig-Zag
Auch wenn dieser Begriff unscheinbar wirkt, wird er tatsächlich in der HST Originalliteratur verwendet. Was damit wiederum gemeint ist, ist relativ einfach, effektiv und schlägt die Brücke zwischen Theorie und Praxis im Hinblick auf das Konzept des Progressive Loads. Betrachten wir die Problematik der Inkrementierungen im obigen Beispiel, so bedeutet Zig-Zag einfach nur, dass wir am Anfang des 5 RM Mikrozyklus das Gewicht des 10 RM Zyklus übernehmen, um eine Gewichtsreduktion von 85 kg (100% 10 RM) auf 75 kg (75% 5 RM) zu vermeiden. HST verbietet eine Gewichtsreduktion, duldet aber ein vorübergehendes Beibehalten eines Widerstandes. Unter Berücksichtigung des Zig-Zag Prinzips würden also die Einheiten beim Bankdrücken im 5 RM Mikrozyklus wie folgt aussehen.
85 kg – 85kg – 85 kg – 90 kg – 95 kg – 100 kg
Ein alternativer Ansatz würde darin bestehen, im Rahmen des Zig-Zag Prinzips, bereits etwas früher dafür aber seltener das Gewicht zu erhöhen. Ebenfalls gut denkbar wäre also der folgende Trainingsgewichtsablauf. Hierbei verweilen wir grundsätzlich länger bei schwereren Gewichten, was als gut zu bewerten ist.
90 kg – 90 kg – 95 kg – 95 kg – 100 kg – 100 kg
Trainingsvolumen
An diesem Punkt sind wir mit physiologischen Fakten konfrontiert. Auf der einen Seite wollen wir das Volumen möglichst hoch halten, auf der anderen Seite werden wir nicht in der Lage sein, mit einem 5 RM Trainingsgewicht 10 Wiederholungen auszuführen. Erinnern wir uns an den HST Grundpfeiler, dass das Gewicht nie verringert werden darf und dass im Zweifelsfalle das Volumen zu reduzieren ist. Beim Wechsel von einem in den nächsten Mikrozyklus bleibt zwar die Anzahl der Sätze gleich, gleichzeitig sinken die Wiederholungen pro Satz. Dies führt in der Summe zu einer Reduktion des Gesamtvolumens (= Anzahl der Sätze x Wiederholungen) und folglich zu einer Reduktion der “TUL”, also der Time under Load. An dieser Stelle möge der HST-Erfinder Dr. Bryan Haycock zu Wort kommen.
“More sets with heavier weight is better than fewer sets with less weight. But there is a limit to our exercise tolerance in the light of CNS fatigue and training to muscle failure. So you have to figure out a way to get as much loading of the muscle as you can, as often as you can, and still be able to constantly increase the load over time, without burning out or getting injured. [..] In HST, the reason volume tends to decrease as load increases, is to spare the CNS and allow more frequent training.”
Das resultiert in der folgenden, von Dr. Bryan Haycock empfohlenen Aufteilung hinsichtlich der Anzahl der Sätze im jeweiligen Mikrozyklus und der jeweiligen Woche.
Mikrozyklus 1 | Mikrozyklus 2 | Mikrozyklus 3 | |||
Woche 1 | Woche 2 | Woche 3 | Woche 4 | Woche 5 | Woche 6 |
2 Sätze | 2 Sätze | 2 Sätze | 1 Satz | 2 Sätze | 1 Satz |
An dieser Stelle kann bereits zusammengefasst werden, dass es sich bei HST um ein hochfrequentes Training mit moderatem Trainingsvolumen handelt. Je höher die TUL ist, desto größer ist auch der Hypertrophieeffekt, gleichzeitig riskieren wir eine Überbeanspruchung unseres ZNS, was letztlich als Kompromisslösung zu bereits erwähnter Volumenreduktion führt. Es handelt sich hierbei aber um eine individuelle Gegebenheit, weshalb jeder Trainierende für sich selbst ermitteln muss, wo seine Toleranzgrenze hinsichtlich des Volumens liegt. Die folgende Entscheidungsmatrix in Bezug auf die Ermittlung des optimalen Trainingsvolumens kann hierbei sehr hilfreich sein.
Beobachtung | Volumenänderung |
● Kein Muskelkater
● Keine Müdigkeit ● Kein Muskelwachstum |
Erhöhen |
● Leichter Muskelkater
● Leichte Müdigkeit, guter Schlaf, motiviert ● Muskelwachstum, Gefühl man sei praller |
Beibehalten |
● Schmerzen
● Müdigkeit und Gereiztheit, schlechter Schlaf ● Kraftverlust |
Reduzieren |
Trainingsplan
Wir besitzen jetzt das theoretische Verständnis hinter der physiologischen Funktionsweise der Hypertrophie und haben die Prinzipien des Hypertrophie-spezifischen Trainings verinnerlicht. Im Folgenden sehen wir einen HST Classic Beispielplan, der im Anschluss noch erörtert wird.
Mikrozyklus 1 | ||||||
Woche 1 | Woche 2 | |||||
Gesamtwiederholungen | 30 | 30 | 30 | 30 | 30 | 30 |
Aufteilung | 2 x 15 Wdh. | 2 x 15 Wdh. | ||||
Repetition Maximum | 15 RM | 15 RM | ||||
Kreuzheben | 75% | 80% | 85% | 90% | 95% | 100% |
Bankdrücken | 75% | 80% | 85% | 90% | 95% | 100% |
Kniebeugen | 75% | 80% | 85% | 90% | 95% | 100% |
Rudern vorgebeugt | 75% | 80% | 85% | 90% | 95% | 100% |
Latziehen | 75% | 80% | 85% | 90% | 95% | 100% |
LH Frontdrücken | 75% | 80% | 85% | 90% | 95% | 100% |
LH Curls | 75% | 80% | 85% | 90% | 95% | 100% |
Dips | 75% | 80% | 85% | 90% | 95% | 100% |
In der Ermittlung der folgenden beiden Mikrozyklen wurde das Zig-Zag Prinzip angewandt, so beginnt die Woche 3 im zweiten Mikrozyklus nicht mit 75% des RM, sondern mit 80%, wodurch effektiv Gewichtsreduktionen größtenteils unterbunden werden. Auch werden prozentuale Inkrementierungen von 10% im Rahmen des Zig-Zag Prinzips verwendet.
Mikrozyklus 2 | Mikrozyklus 3 | ||||||||||
Woche 3 | Woche 4 | Woche 5 | Woche 6 | ||||||||
20 | 20 | 20 | 10 | 10 | 10 | 10 | 10 | 10 | 5 | 5 | 5 |
2 x 10 Wdh. | 1 x 10 Wdh. | 2 x 5 Wdh. | 1 x 5 Wdh. | ||||||||
10 RM | 10 RM | 5 RM | 5 RM | ||||||||
80% | 80% | 90% | 90% | 100% | 100% | 80% | 80% | 90% | 90% | 100% | 100% |
80% | 80% | 90% | 90% | 100% | 100% | 80% | 80% | 90% | 90% | 100% | 100% |
80% | 80% | 90% | 90% | 100% | 100% | 80% | 80% | 90% | 90% | 100% | 100% |
80% | 80% | 90% | 90% | 100% | 100% | 80% | 80% | 90% | 90% | 100% | 100% |
80% | 80% | 90% | 90% | 100% | 100% | 80% | 80% | 90% | 90% | 100% | 100% |
80% | 80% | 90% | 90% | 100% | 100% | 80% | 80% | 90% | 90% | 100% | 100% |
80% | 80% | 90% | 90% | 100% | 100% | 80% | 80% | 90% | 90% | 100% | 100% |
80% | 80% | 90% | 90% | 100% | 100% | 80% | 80% | 90% | 90% | 100% | 100% |
Möchte man jetzt konkrete Gewichtszahlen für seinen spezifischen Trainingsplan berechnen, so müssen die 15 RM, 10 RM und 5 RM der jeweiligen Übungen ermittelt und mit der jeweiligen Prozentangabe multipliziert werden. Ist beispielsweise unser 5 RM im Bankdrücken 100 kg, so tragen wir in die Tabelle bei der 80%-Angabe 80 kg ein, da 100 kg x 0,8 = 80 kg.
Bei der Übungswahl ist es entscheidend, dass überwiegend Grundübungen bzw. Mehrgelenksübungen zum Einsatz kommen. Hierdurch kann das Volumen in einem begrenzten Rahmen gehalten werden und gleichzeitig werden alle Muskelgruppen angemessen und ausreichend stimuliert. Man führe sich hierbei immer vor Augen, dass beispielsweise der Bizeps bei einer Rückenübung wie Rudern oder Klimmzügen ebenfalls beansprucht wird. Selbiges gilt für den Trizeps, welcher beim Bank- und Frontdrücken stimuliert wird. Die letzten beiden Übungen oben, also Curls und Dips, sind als optional zu betrachten und können je nach Präferenz und Zielsetzung ausgelassen werden.
Ebenfalls können Kniebeugen gegen eine Alternativübung wie Frontkniebeugen oder Beinpressen ausgetauscht werden. Frontkniebeugen würden tatsächlich einen größeren Kontrast zum Kreuzheben darstellen, da die Belastung stärker auf dem Quadrizeps liegt. Auch sollte in Erwägung gezogen werden, Kreuzheben als rumänisches Kreuzheben, also mit fast gestreckten Beinen, auszuführen. Hierdurch hätte man eine stärkere Beanspruchung des Beinbizeps und des unteren Rückens und gleichzeitig eine reduzierte Involvierung des Beinstreckers. Schließlich kann die Übung Latziehen selbstverständlich auch gegen Klimmzüge ausgewechselt werden.
Zusammenfassung
In diesem Artikel hast du die theoretischen Grundlagen der Hypertrophie, der Möglichkeiten wie diese stimuliert werden kann und die Prämissen des Hypertrophie-spezifischen Trainings kennengelernt. Du bist jetzt in der Lage, einen eigenen Trainingsplan zu erstellen und eine fundierte Diskussion zu HST Classic zu führen. Insbesondere wenn man sich vor Augen führt, dass alternative und übliche Trainingssysteme im Kern irgendwie doch sehr identisch sind, kann HST eine erfrischende Abwechslung darstellen.
Auch kann HST dazu beitragen, dir beim Überwinden einer Trainingsbarriere zu helfen, sei es in Bezug auf Kraftzunahme oder Zunahme des Muskelquerschnitts. Möchtest du in verhältnismäßig kurzer Zeit an Kraft und Muskulatur zulegen, so bist du bei HST absolut richtig! Mögen wir zum Abschluss dieses Artikels noch einmal den HST Entwickler Dr. Bryan Haycock zu Wort kommen lassen.
“HST is not about sets and reps, it is about getting people to change the way they think about training for size. It is about introducing demonstrable physiological concepts into a culture dominated by marketing hype, tradition and regurgitation of every single BB myth ever known.”
“HST is not about sets and reps” hast du soeben gelesen. Und dennoch haben wir in unserem Beispielplan das Konzept der Sätze und Wiederholungen verwendet, genauso wie im gesamten Verlauf dieser Abhandlung. Doch wenn es nicht um Sätze und Wiederholungen geht und wir in diesem Artikel neben den HST Grundlagen speziell HST Classic behandelt haben, so lässt das doch die Vermutung zu, dass es noch eine weitere HST Variante geben muss. Und tatsächlich entspricht diese Vermutung der Wahrheit! Die wahre Essenz des Hypertrophie-spezifischen Trainings ist das HST Cluster. Und tatsächlich geht es hier nicht mehr direkt um Sätze und Wiederholungen, sondern einzig und allein darum, sich ausschließlich auf das zu konzentrieren, was am Ende des Tages zu Hypertrophie führt. Es geht also im nächsten Artikel weiter mit HST Cluster!
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Über den Autor
Am Samstag, den 11. März 2006 hatte ich mein erstes Probetraining in einem Fitnessstudio und bin seitdem Feuer und Flamme für den Eisensport. Im gleichen Jahr habe ich mich bei Team-Andro unter dem Pseudonym PAG-Attack angemeldet, mit welchem ich nun auf Lifters-Lounge aktiv bin.
Seither konnte ich umfangreiches theoretisches und praktisches Wissen zum Thema Kraft- und Kampfsport, Ernährung sowie Wettkampfbodybuilding sammeln. Neben einer Wettkampfteilnahme 2013 an der NAC Ost in Berlin, habe ich auch einige Athleten im Bekanntenkreis erfolgreich gecoacht. Die vollständige Diät- und Trainingsplanung zur “Transformation” eines Athleten, auf den ich besonders stolz bin, könnt ihr in diesem Artikel nachlesen.
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